Leitsatz (amtlich)
Nach § 46 a VI ArbGG muß das Arbeitsgericht auch bei einem verspäteten Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen und über den Einspruch durch Urteil entscheiden.
Eine Anwendung des § 341 II ZPO i.V.m. § 700 ZPO – Verwerfung durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung – ist danach ausgeschlossen.
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Beschluss vom 29.04.1988; Aktenzeichen Ba 98/88) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 29.4.1988 – 7 Ca 7153/88 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Arbeitsgericht Bremen zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Arbeitsgericht Bremen hat am 7.3.1988 Mahnbescheid über 842,46 DM gegen den Beklagten erlassen.
Am 21.3.1988 wurde Vollstreckungsbescheid erlassen, in dessen Rechtsbehelfsbelehrung auf die Einspruchsmöglichkeit und die einwöchige Einspruchsfrist hingewiesen wird. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde der Vollstreckungsbescheid am 23.3.1988 durch Niederlegung zugestellt.
Am 31.3.1988 ging beim Arbeitsgericht ein Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein.
Durch Schreiben vom 5.4.1988 wurde der Beklagte darauf hingewiesen, daß der Einspruch verspätet beim Arbeitsgericht eingegangen sei. Ferner wurde der Beklagte auf die Möglichkeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, aufmerksam gemacht.
Durch Beschluß vom 29.4.1988 hat das Arbeitsgericht Bremen durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung den Einspruch als unzulässig verworfen.
Dieser Beschluß wurde dem Beklagten durch Niederlegung am 2.5.1988 zugestellt.
Am 10.5.1988 wurde sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wies der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten darauf hin, daß eine ordnungsgemäße Zustellung nicht erfolgt sei und begründete diese Auffassung im einzelnen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige Beschwerde nach § 342 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist gemäß § 577 Abs. 2, 569 ZPO, frist- und formgerecht eingelegt worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.
2. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist im Ergebnis begründet.
Die Verwerfung des Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid gem. § 700 ZPO i.V.m. § 341 Abs. 2 ZPO ist nach der Sondervorschrift des § 46 a Abs. 6 ArbGG nicht statthaft.
a) Gem. § 46 a Abs. 1 ArbGG gelten für das Mahnverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Mahnverfahren entsprechend, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt.
Gemäß § 46 a Abs. 1 ArbGG ist danach auch § 700 Abs. 1 ZPO anwendbar. Danach steht der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig erklärtem Versäumnisurteil gleich.
Für Frist und Form des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Sondervorschrift des § 59 ArbGG maßgebend. Danach muß der Einspruch innerhalb einer Woche nach Zustellung des Vollstreckungsbescheids beim Arbeitsgericht eingehen. Diese Frist hat der Beklagte um einen Tag versäumt, so daß der Einspruch vom Arbeitsgericht als verspätet angesehen wurde.
Die entsprechende Entscheidung – Verwerfung des Einspruchs – hat das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung in Anwendung des § 341 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 700 Abs. 3 ZPO getroffen.
b) Das Arbeitsgericht hat übersehen, daß als in § 46 a I ArbGG erwähnte „Sondervorschrift” auch § 46 a VI ArbGG anzusehen ist. Nach dieser Vorschrift müssen die Gerichte für Arbeitssachen bei Einsprüchen gegen einen Vollstreckungsbescheid in jedem Fall von Amts wegen Verhandlungstermin anberaumen.
§ 46 a Abs. 6 ArbGG bestimmt ausdrücklich, daß Termin bestimmt wird, ohne daß es eines Antrags einer Partei bedarf. Die Worte „nach Abs. 4” im Abs. 6 des § 46 a ArbGG bedeuten nicht, daß Termin nur bei rechtzeitigem Einspruch anberaumt werden soll.
Dies ergibt zunächst die wörtliche Auslegung des § 46 a Abs. 6 ArbGG.
Die Formulierung „es wird Termin bestimmt” läßt eine Interpretation insoweit nicht zu. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen rechtzeitigem und nicht rechtzeitigem Einspruch, im Gegensatz zu § 46 a Abs. 4 ArbGG, sondern ordnet die Terminsbestimmung in jedem Fall an. Die Worte „wird Termin nach Abs. 4 bestimmt”, beziehen sich mithin nur auf den letzten Satz des § 46 a Abs. 4 ArbGG, durch den dem Vorsitzenden die Möglichkeit gegeben wird, dem Antragsteller – hier Einspruchsführer – aufzugeben, seinen Anspruch zu begründen. Hätte der Gesetzgeber die Vorschrift des § 341 Abs. 2 ZPO für anwendbar erklären wollen, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, auch in Abs. 6 das Wort „rechtzeitigen” vor das Wort „Einspruchs” einzufügen, um eine dem Abs. 4 entsprechende Regelung zu treffen, so daß die Vorschrift dann hieße: „Im Falle des rechtzeitigen Einspruchs wird Termin nach Abs. 4 bestimmt.” Gerade die unterschiedliche Formulierung in § 46 a Abs. 4 und § 46 a Abs. 6 ArbGG spricht für die hier getroffene Auslegung.
Die wörtliche Auslegung ergibt deshalb, daß in jedem Fal...