Leitsatz (amtlich)
1) Der Antrag des Betriebsrats in einem Beschlussverfahren, „dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen anzuordnen”, ist ausreichend bestimmt.
2) Die Voraussetzungen des § 87 I 3 BetrVG sind auch dann gegeben, wenn der Arbeitgeber auf Grund innerbetrieblicher Entscheidungsprozesse von Mal zu Mal erneut entscheidet, ob er von einer erteilten Ausnahmegenehmigung nach dem Ladenschlussgesetz Gebrauch machen will.
3) Die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Voraussetzungen, „regelmässiges Auftreten und Vorhersehbarkeit eines zusätzlichen Arbeitsbedarfs” bei § 87 I 3 BetrVG, müssen nicht in jedem Fall erfüllt sein. Sie sind nur als ein beispielhafter „Musterfall” anzusehen.
4) Im Verfahren nach § 23 III BetrVG kann die Androhung des Ordnungsgeldes in dem das Erkenntnisverfahren abschliessenden Beschluss erfolgen.
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Beschluss vom 17.12.1985; Aktenzeichen 2 BV 52/85) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen vom 17. Dezember 1985 – 2 BV 52/85 – wird als unbegründet zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 1) – Antragsteller– ist Betriebsrat der Beteiligten zu 2) – Antragsgegnerin–.
Die Beteiligte zu 2) betreibt in der Region Bremen, die räumlich über den Bereich der Freien Hansestadt Bremen hinausgeht, verschiedene Verkaufsmärkte. An den Sonntagen 21. und 28. April 1985 öffnete die Beteiligte zu 2) ihre Märkte in Delmenhorst und Osterholz-Scharmbeck. In beiden Fällen hatte der Beteiligte zu 1) vorher den Antrag auf Zustimmung zur Anordnung von Mehrarbeit an den genannten Tagen abgelehnt.
Für den Markt 043 in Osterholz-Scharmbeck sowie die Märkte 764 und 765 in der gleichen Stadt hatte der Beteiligte zu 1) Anträge auf Sonntagsöffnung bereits am 26.03.1985 abgelehnt. Die Beteiligte zu 2) hat sodann, allerdings nur für den Markt 043, am 18.04.1985 erneut einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser wurde in der Betriebsratssitzung am 19.04.1985 wiederum abgelehnt. Der Markt wurde dennoch geöffnet.
Die Beteiligte zu 2) hat ausserdem ihre Märkte in Syke und in Kirchweyhe im Jahre 1985 ausserhalb der üblichen Zeiten nach dem Ladenschlussgesetz geöffnet, ohne den Betriebsrat zu beteiligen.
Die Beklagte zu 2) hat wegen der Anordnung von Mehrarbeit aus Anlass der Öffnung des Marktes 073 in Osterholz-Scharmbeck für den 30.09.1984 nach Ablehnung durch den Beteiligten zu 1) ein Einigungsstellenverfahren eingeleitet. Die Einigungsstelle beschloss seinerzeit, den Markt zu öffnen.
Bezüglich der Öffnung des Marktes 073 in Osterholz-Scharmbeck am 29. September 1985 hat ebenfalls eine Einigungsstelle stattgefunden. Der Antrag der Beteiligten zu 2) wurde von dieser Einigungsstelle abgelehnt.
Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, ihm stehe für die von der Beteiligten zu 2) getroffenen Massnahmen ein Mitbestimmungsrecht gemäss § 87 Abs. 1 Ziff. 2 u. 3 BetrVG zu, über das sich die Beteiligte zu 2) hinweggesetzt habe. Die Missachtung des Mitbestimmungsrechts stelle einen groben Verstoss der Beteiligten zu 2) gegen ihre sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten dar.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Antragstellers Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen in den im Bereich der Niederlassung Nordwest, Region Bremen, liegenden Märkten der Antragsgegnerin anzuordnen.
Er hat weiter beantragt,
der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung Verurteilung zu einem Ordnungsgeld anzudrohen.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dem Beteiligten zu 1) stehe kein Mitbestimmungsrecht zu, da den Massnahmen der kollektive Bezug gefehlt habe. In ihrem Verhalten sei auch kein grober Verstoss gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten zu sehen, da die Frage, ob die von ihr mit ihren Arbeitnehmern vereinbarte freiwillige Arbeitsleistung an den besagten Sonntagen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterfalle, bisher höchstrichterlich für einen vergleichbaren Sachverhalt noch nicht geklärt worden sei. Ausserdem sei die Einrichtung einer Einigungsstelle für die Öffnung der Märkte nur aus Gründen unterblieben, die der Beteiligte zu 1) zu vertreten habe.
Das Arbeitsgericht Bremen hat am 17. Dezember 1985 folgenden Beschluss gefasst:
- Die Antragsgegnerin wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung bis zur Höhe von 20.000,– DM verpflichtet, es zu unterlassen, in ihren Märkten im Bereich der Niederlassung Nordwest, Region Bremen, Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen ohne Zustimmung des Antragstellers anzuordnen.
- Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Vereinbarung oder Anordnung von Sonntagsarbeit in den genannten Filialen falle unter den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG. Bereits 1980 habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von...