Entscheidungsstichwort (Thema)

Verteiler: MB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Staatskasse steht im Falle der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine inländische juristische Person kein Beschwerderecht wegen unrichtiger Prüfung, ob die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 S. 1 Ziff. 2 ZPO), zu.

2. Es bleibt offen, ob ein Beschwerderecht wegen greifbaren Gesetzesverstoßes zu bejahen wäre, wenn weder im Bewilligungsbeschluß noch in der Nichtabhilfeentscheidung erkennbar wird, ob das Gericht die Voraussetzungen des § 116 S. 1 Ziff. 2 ZPO überhaupt geprüft hat.

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Beschluss vom 02.02.1988; Aktenzeichen 8 Ca 8353/86)

ArbG Bremen (Beschluss vom 09.01.1987; Aktenzeichen 8 Ca 8352/86)

 

Tenor

Die Beschwerden des Bezirksrevisors gegen den die Prozeßkostenhilfe bewilligenden Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 9. Januar 1987 – Az.: 8 Ca 8352/86 – und gegen den die Prozeßkostenhilfe bewilligenden Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 2. Februar 1988 – Az.: 8 Ca 8353/86 – in der berichtigten Fassung vom 1. März 1988 werden als unzulässig zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Der Beschwerdewert wird auf DM 427,39 festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerden sind unstatthaft.

I. Der Bezirksrevisor hat die Beschwerden jeweils auf § 116 Satz 1 Ziff. 2 ZPO gestützt.

1. Gem. § 127 Abs. 2 ZPO ist die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unanfechtbar (vgl. Zöller, ZPO, 14. Auflg., Anm. III. 2 b zu § 127 ZPO). Gegen das Absehen des Gerichts von der Ratenzahlungsanordnung nach § 120 Abs. 1, 2 ZPO kann der Bezirksrevisor nach überwiegender Ansicht Beschwerde einlegen, weil diese Entscheidung zwar zugleich mit der Entscheidung über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe ergeht, aber nicht mit ihr identisch ist und daher nicht unter den Beschwerdeausschluß gem. § 127 Abs. 2 ZPO fällt (vgl. OLG Köln FamRZ 1984, 1120; OLG Nürnberg Rpfleger 1983, 457; LAG Bremen MDR 1982, 1053; LAG Hamm MDR 1982, 589; LAG Köln MDR 1982, 789; andere Ansicht OLG Bamberg RR 1986, 742; OLG Düsseldorf Rpfleger 1982, 440). Im übrigen kann der Bezirksrevisor nicht mehr Beschwerderechte als die Partei haben. Teilweise wird sogar vertreten, daß er keinerlei Beschwerderechte hat, weil er am Bewilligungsverfahren nicht beteiligt sei (vgl. OLG Hamburg MDR 1983, 584; OLG Düsseldorf MDR 1983, 138).

Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unanfechtbarkeit der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe wird in der Rechtsprechung lediglich in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit des Bewilligungsbeschlusses gemacht (vgl. BGH EzA Nr. 9 zu § 127 ZPO; OLG Koblenz ZIP 1983, 221; OLG Hamm FamRZ 1984, 1121; LAG Düsseldorf LAGE Nr. 6, 8, 10 zu § 127 ZPO; LAG Köln LAGE Nr. 7, 12 zu § 127 ZPO; LAG Bremen LAGE Nr. 14 zu § 127 ZPO).

2. § 116 Satz 1 Ziff. 2 ZPO regelt die Voraussetzungen, wann eine inländische juristische Person oder parteifähige Vereinigung Prozeßkostenhilfe erhalten kann. Diese Norm bezieht sich mithin auf den Kernbereich der Prozeßkostenhilfe für inländische juristische Personen oder parteifähige Vereinigungen. Wird diese gesetzliche Regelung im Bewilligungsverfahren übersehen oder unrichtig angewandt, so handelt es sich dabei um die Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe selbst. Dem Bezirksrevisor kann deshalb insoweit grundsätzlich kein Beschwerderecht zugebilligt werden.

Im vorliegenden Fall kann die eingelegte Beschwerde auch nicht auf einen greifbaren Gesetzesverstoß des Bewilligungsbeschlusses gestützt werden. Das Arbeitsgericht hat nicht schlechthin in der angefochtenen Entscheidung die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Ziff. 2 ZPO übersehen, sondern spätestens im Abhilfeverfahren erkennbar gemacht, daß es diese Voraussetzungen geprüft hat.

Nach allem waren die von dem Bezirksrevisor eingelegten Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller, a.a.O., Anm. IV 5. zu § 127 ZPO).

Als Beschwerdewert waren die Kosten für den beigeordneten Prozeßbevollmächtigten anzusetzen, weil der Bezirksrevisor mit seinen Beschwerden Befreiung der Staatskasse hiervon anstrebt. Diese Kosten berechnen sich wie folgt:

Rechtsstreit 8 Ca 8352/86

Streitwert DM 700,–

(volle Prozeßkostenhilfebewilligung)

2 Gebühren à DM 60,–

= 120,– DM

Auslagenpauschale

18,– DM

238,– DM

+ 14 % MWSt.

19,32 DM

insgesamt:

157,32 DM

Rechtsstreit 8 Ca 8353/86

Wert DM 8.571,47

(lediglich teilweise Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Rechtsverteidigung über den Betrag von DM 7.181,99 hinaus)

Deshalb maßgeblicher Wert

DM 1.389,48

2 Gebühren à DM 103,–

= 206,– DM

Auslagenpauschale

30,90 DM

236,90 DM

+ 14 % MWSt.

33,17 DM

insgesamt

270,07 DM

Addition der Verfahren

= 427,39 DM

= Beschwerdewert.

Gegen diesen Beschluß ist gem. § 78 Abs. 2 ArbGG kein Rechtsmittel gegeben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI937972

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