Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahlanfechtung. Wählbarkeit gestellter Arbeitnehmer. Beteiligte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist Beteiligter in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, wer durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist. Das sind der Arbeitgeber und der Betriebsrat, ferner die Betriebsratsmitglieder, deren Wählbarkeit Gegenstand des Beschlussverfahrens ist. Deshalb ist in einem Beschlussverfahren, das um den Streit der Wirksamkeit einer Betriebsratswahl geht, auch das Betriebsratsmitglied zu beteiligen, dessen Wählbarkeit streitig ist.

2. Ist das Wahlrecht von gestellten Beschäftigten streitig, ist derjenige, der die Beschäftigten stellt, nicht an einem Wahlanfechtungsverfahren zu beteiligen.

3. Ist die Frage, ob überlassenen Arbeitnehmer wahlberechtigt sind und deshalb zu Recht die Betriebsratswahl vorzeitig durchgeführt wurde, nur schwer zu beantworten, kann eine Verkennung der Rechtslage insoweit keine Nichtigkeit der Betriebsratswahl begründen. Das Gleiche gilt, wenn die fehlende Wählbarkeit einzelner Arbeitnehmer nicht „auf die Stirn geschrieben” ist.

4. Wurden zwei Arbeitnehmer in den Betriebsrat gewählt, obwohl sie nicht gem. den §§ 7, 8 BetrVG wählbar waren und wurde bei der Frage des entsprechenden Anstiegs der Arbeitnehmeranzahl überlassene Arbeitnehmer berücksichtigt, liegt ein Verstoß gegen § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor, der die Wahl unwirksam macht.

 

Normenkette

BetrVG § 19; ArbGG § 83 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Beschluss vom 14.10.2008; Aktenzeichen 3 BV 312/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) – 4) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 14.10.2008 – 3 BV 312/08 – teilweise abgeändert.

Auf den Hilfsantrag wird die Betriebsratswahl vom 10.06.2008 für unwirksam erklärt.

Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Die Rechtsbeschwerde wird gegen diesen Beschluss für die Beteiligten zu 5)-7) zugelassen. Für die Beteiligten zu 1) – 4) wird die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer am 10.06.2008 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die Beteiligten zu 1) (nachfolgend B. genannt), zu 2) (nachfolgend L. genannt), zu 3) (nachfolgend I. genannt) und zu 4) (nachfolgend A. genannt) betreiben ein Labor und bieten laborärztliche Leistungen für niedergelassene Ärzte und Kliniken an. Diesem sog. „L. Bremen” gehört die I. mit ihren am Standort Bremen beschäftigten Mitarbeitern an.

Bei der Betriebsratswahl im Jahr 2006 bildeten die Beteiligten zu 2), 3) und 4) einen gemeinsamen Betrieb. Damals waren im Gemeinschaftsbetrieb 88 Frauen und 33 Männer, mithin 121 Arbeitnehmer, beschäftigt. Der damals gewählte Betriebsrat bestand aus sieben Mitgliedern. Betriebsratsvorsitzender wurde Herr W.. Die drei vorstehend genannten Beteiligten hatten ihren Standort in Huchting. Die Beteiligte zu 1) (B.) hatte demgegenüber mit 81 Personen ihren Standort auf dem Gelände des Klinikums Bremen-Mitte gGmbH (K.). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrallabors des K. gGmbH (nachstehend K.) hatten von dieser ein Schreiben mit Datum vom 19.02.2004 wegen der Gründung der Beteiligten zu 1) (Bl. 324 f d. A.) erhalten. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – auch die Beteiligten zu 6) und 7) – hatten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 19.02.2004 (Bl. 249 – 317 d. A.) widersprochen. Das K. hatte mit Wirkung vom 01.03.2004 des Zentrallabors Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen an die Beteiligte zu 1) über einen Personalüberlassungsvertrag vom 26.01.2004 (Bl. 23 – 30 d. A.) überlassen.

Im Zuge eines Neubaus wurden die unterschiedlichen Standorte der Beteiligten nach der erfolgten Betriebsratswahl zusammengeführt, und zwar unter dem Namen „L. Bremen”. Nicht nur 78 ehemalige Mitarbeiter des Zentrallabors des K. wurden in den Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 1) – 4) integriert, sondern diesem Gemeinschaftsbetrieb wurden auch sämtliche Gerätschaften aus dem Zentrallabor des K. zur weiteren Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich insbesondere um mindestens zwei Werkbänke, eine Zentrifuge für Zellkulturen und einen sog. CO²-Brutschrank. Einige wenige weitere Gerätschaften sind in den Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 1) – 4) verbracht worden; die Gerätschaften aus dem Zentrallabor, die aufgrund ihres Alters nicht mehr brauchbar waren, wurden entsorgt.

Der gewählte Betriebsrat bei den Beteiligten zu 2), 3) und 4) war nach der Aufnahme auch der Mitarbeiter der Beteiligten zu 1) der Auffassung, dass gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG außerhalb der regelmäßigen Betriebsratswahlen Neuwahlen durchzuführen seien. Sodann wurde vom Betriebsrat ein Wahlvorstand bestellt und die Wahl in die Wege geleitet. Der Wahlvorstand ging von insgesamt 194 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen aus. Die ...

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