Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines Rechtsanwalts im Prozesskostenhilfeverfahren. Keine Begrenzung der Vertretungsbereitschaft des Prozessbevollmächtigten im Prozesskostenhilfeverfahren. Keine Beiordnung des Rechtsanwalts im Prozesskostenhilfeverfahren bei beschränkter Vertretungsbereitschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO wird im Parteiprozess der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
2. Die von § 121 Abs. 2 ZPO geforderte Vertretungsbereitschaft ist nicht gegeben, wenn die dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht eine Vertretung im Prozesskostenhilfe-Nachprüfungsverfahren ausschließt. Denn die Bereitschaft zur Vertretung im Sinne von § 121 Abs. 1 ZPO muss sich nach Systematik und Zweck der Vorschrift auf den gesamten Rechtszug im Sinne von § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO beziehen, für welchen Prozesskostenhilfe bewilligt wird.
3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt einheitlich für den Rechtszug und damit im Falle ihrer Bewilligung für das Hauptsacheverfahren auch für das vollständige Prozesskostenhilfeverfahren. Der beigeordnete Rechtsanwalt wird gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 BRAO zur Vertretung im Umfang der Beiordnung für den Rechtszug und damit zur Vertretung auch im vollständigen Prozesskostenhilfeverfahren verpflichtet. Rechtsanwälte, die hierzu nicht bereit sind, werden durch § 121 Abs. 1 ZPO geschützt und im Falle fehlender Vertretungsbereitschaft nicht gegen ihren Willen beigeordnet.
Normenkette
ZPO § 119 Abs. 1, §§ 120a, 121 Abs. 1-2; GKG § 22 Abs. 1, § 29 Nr. 1; BRAO § 48 Abs. 1; ArbGG § 11a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 23.06.2023; Aktenzeichen 11 Ca 11209/22) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 23. Juni 2023 - 11 Ca 11209/22 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger hat mit seiner Klage vom 13. Oktober 2022 begehrt, die Beklagte zur Zahlung verschiedener Beträge zu verurteilen, ihm Gehaltsabrechnungen sowie ein Zeugnis zu erteilen und ihm einen Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2022 auszuhändigen. Mit der Klageschrift hat er zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B. beantragt.
Das Hauptsacheverfahren hat sich durch Versäumnisurteil vom 1. November 2022 erledigt. Das am 4. November 2022 zugestellte Versäumnisurteil ist rechtskräftig geworden. Ausweislich des Versäumnisurteils hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. In der Güteverhandlung am 1. November 2022 hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, dem Kläger Gelegenheit gegeben, die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen bis spätestens zum 15. November 2022 einzureichen.
Mit Schriftsatz vom 2. November 2022 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers außer der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und verschiedener Belege eine "Vollmacht zur Beantragung von PKH/VKH" (Bl. 52 PKH-Heft) zur Akte gereicht. Darin heißt es auszugweise:
"Herrn Rechtsanwalt M. B. [...] wird hiermit [...] Vollmacht erteilt für die Beantragung von PKH/VKH in meiner o.b. Angelegenheit.
Der Auftrag umfasst lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache. Der Auftrag für das PKH-/VKH-Bewilligungsverfahren endet spätestens mit Abschluss des Hauptsacheverfahrens, für das eine PKH-/VKH-Bewilligung erfolgen soll. [...]"
Mit Gerichtsschreiben vom 7. November 2022 wurden der Kläger sowie sein Prozessbevollmächtigter auf folgendes hingewiesen:
"Der Rechtspfleger empfiehlt, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen. Er verweist auf die unter dem Datum des 27. Oktober 2022 unterzeichnete Vollmacht, wonach der Auftrag "zur Beantragung von PKH/VKH" "lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache" umfasse. Der Rechtspfleger erkennt keine Berechtigung des Anwalts zur Beschränkung des Mandats bei Beiordnung, wobei er auf die Entscheidungen des LAG Köln (Beschluss vom 30.04.2019 - 1 Ta 17/19 - juris) sowie des BGH (Beschluss vom 8.12.2010 - XII ZB 38/09 - juris) Bezug nimmt.
Vor diesen Hintergrund wird mitgeteilt, daß erwogen wird, eine Beiordnung gemäß § 121 ZPO i.V.m. § 11a Abs. 1 ArbGG abzulehnen. Auf die vorstehend genannten Entscheidungen wird Bezug genommen.
Es besteht, auch für den Kläger selbst, Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zweier Wochen."
Mit Schriftsatz vom 15. November 2022 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2013 - 9 WF 209/13 - aus, dass er die von dem Rechtspfleger geäußerte Ansich...