Leitsatz (amtlich)

1. Der Wert des Streitgegenstandes für ein individualrechtliches Verfahren um die Rechtmäßigkeit einer Versetzung kann in Anlehnung an § 7 Abs. 12 ArbGG auf 3 Monatsgehälter festgesetzt werden, wenn die Folgen … … für den betroffenen Arbeitnehmer sehr weitreichend sind, insbesondere Einiges dafür spricht, daß der Arbeitgeber die Änderung der Arbeitsbedingungen nur durch eine Änderungskündigung hätte durchsetzen können.

2. Wird in einem solchen Fall im Wege des gerichtlichen Vergleichs das Arbeitsverhältnis aufgehoben bei Zahlung einer Abfindung, so verändert sich der Streitgegenstand nicht. Ein überschießender Vergleichswert ist nicht festzusetzen.

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Beschluss vom 22.06.1988; Aktenzeichen 7 Ca 7106/88)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Landeskasse wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 22.06.1988 – 7 Ca 7106/88 – insoweit aufgehoben, als das Arbeitsgericht einen übersteigenden Vergleichswert festgesetzt hat.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht um die Rechtmäßigkeit einer Versetzungsanordnung der Beklagten gestritten. Die Klägerin war als Raumpflegerin in einer Filiale der Beklagten in der Neidenburger Straße tätig. Ihre Arbeitszeit lag im wesentlichen in den Abendstunden.

Mit der angegriffenen Versetzungsanordnung wurde der Klägerin ein Arbeitsplatz in der ca. 6 bis 7 km von der Filiale entfernten Hauptstelle der Beklagten zugewiesen. Die Arbeitszeit wurde auf 5.30 Uhr bis 9.00 Uhr festgesetzt.

In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich beendet. Die Beklagte verpflichtete sich, an die Klägerin DM 4.000,– zu zahlen. Im angefochtenen Beschluß hat das Arbeitsgericht gemäß § 9 Abs. 2 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte i.V.m. § 25 GKG, § 12 Abs. 7 ArbGG, den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf DM 2.742,– (3 Monatsgehälter) und den übersteigenden Vergleichswert auf ebenfalls DM 2.742,– festgesetzt.

Gegen diese Entscheidung hat der Vertreter der Landeskasse unter dem 5.7.1988 Beschwerde eingelegt. Er möchte den Gegenstandswert auf DM 914,– (1 Monatsgehalt) festgesetzt wissen. Der Bezirksrevisor hat ferner die Auffassung vertreten, daß ein überschießender Vergleichswert nicht entstanden sei.

Die beteiligten Prozeßbevollmächtigten halten die Entscheidung des Arbeitsgerichts hingegen für richtig.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung darauf hingewiesen, daß die angegriffene Versetzung wegen ihrer weitreichenden Folgen für die Klägerin wie eine Kündigung zu bewerten sei.

Von einer wirtschaftlichen Identität der Wirksamkeit der Versetzung und der vergleichsweisen Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne nicht ausgegangen werden. Diese sei nur dann zu bejahen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwangsläufige Konsequenz aus der Versetzung gewesen sei. Versetzung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien deshalb gesondert zu bewerten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist ein überschießender Vergleichswert nicht entstanden.

1. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, den wert des Streitgegenstandes für den Streit um die Versetzung auf 3 Monatsgehälter festzusetzen, ist im zu entscheidenden Fall nicht zu beanstanden. Zwar wird grundsätzlich auch von der Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, daß der Rechtsstreit um eine Versetzung streitwertmäßig nicht wie eine Kündigung bewertet werden darf. Die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis sind in der Regel bei einer Versetzung wesentlich weniger einschneidend als in Fällen, in denen der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel steht.

In dem dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte allerdings eine für die Klägerin sehr einschneidende Anordnung getroffen. Der Arbeitsort wurde von einem weit vom Zentrum, jedoch nahe der Wohnung der Klägerin gelegenen Filiale in die 6 bis 7 km entfernte Hauptstelle in der City verlegt, wodurch sich die Anfahrtswege bei der teilzeitbeschäftigten Raumpflegerin erheblich verlängerten und dadurch ein sehr viel ungünstigeres Verhältnis in bezug auf die Arbeitszeit entstand.

Zudem wurde die Arbeitszeit der Klägerin völlig verändert. Ihr, die in den frühen Morgenstunden in ihrer Familie unentbehrlich ist, wäre kein anderer Weg verblieben, als von sich aus das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Die Kammer braucht zwar letztlich nicht zu entscheiden, ob überhaupt eine Versetzung der richtige juristische Weg für die Beklagte gewesen wäre, um die Anordnung durchzusetzen. Es spricht allerdings vieles dafür, daß hier eine Änderungskündigung hätte ausgesprochen werden müssen. Allein die einschneidenden Veränderungen der Umstände der Arbeitsbedingungen lassen bezüglich des Streitwertes eine Anlehnung an § 12 Abs. 7 ArbGG geboten erscheinen. Für die Klä...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge