Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschränkung eines Beschäftigungssicherungstarifvertrags durch einen Zukunftssicherungstarifvertrag. Vorrang des Gesamthafenbetriebsgesetzes vor den Regelungen des AÜG
Leitsatz (redaktionell)
1. Sieht ein Beschäftigungssicherungstarifvertrag eine Regelungsermächtigung dahingehend vor, dass mit einem Zukunftssicherungstarifvertrag die dortigen Bestimmungen auf betrieblicher Ebene geändert bzw. eingeschränkt und damit insbesondere auf haustarifvertraglicher Grundlage umgesetzt werden können, hält sich dies im Rahmen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien.
2. Die Vorschriften des Gesamthafenbetriebsgesetzes und die aufgrund dessen erlassenen Vorschriften verdrängen § 8 AÜG. Das Gesamthafenbetriebsgesetz geht dem AÜG vor. Beide Gesetzeswerke stehen als Bundesgesetze im gleichen Rangverhältnis und regeln die Überlassung von Arbeitnehmern. Das Gesamthafenbetriebsgesetz regelt jedoch spezifische Rahmenbedingungen für die Errichtung eines Gesamthafenbetriebs, der als besonderer Arbeitgeber auf deutschen Seehäfen ausschließlich für dort geleistete Hafenarbeit gebildet wird.
Normenkette
RL 2008/104/EG Art. 3 Abs. 1 Buchst. f); AÜG § 8; GHfBetrG § 1 Abs. 1 S. 2; Sonderbestimmungen für die Häfen im Lande Bremen (i.d.F.v. 01.06.2005) §§ 26, 28
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 22.03.2022; Aktenzeichen 11 Ca 11170/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 22.03.2022 - 11 Ca 11170/21 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung eines tarifvertraglichen Urlaubsgelds und einer tarifvertraglichen Jahreszuwendung.
Der Kläger ist seit 2005 bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 29.09.2005 heißt es auszugsweise:
[...] Herr S wird mit dem 01.10.2005 im Auftrage des Ausschusses für Personal und Arbeit des G..... als Gesamthafenarbeiter eingestellt. Er gehört damit der Belegschaft des G..... an und erhält die Hafenarbeitskarten Nr. 20759.
Die Eingruppierung erfolgt in der Lohngruppe 1.
[...]
4. Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweiligen zwischen dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. oder dem Unternehmensverband Bremische Häfen e.V. einerseits und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. andererseits, für die Hafenarbeiter abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Insbesondere der jeweilige Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, gültig ab 01.04.1992 in der Fassung vom 13.09.2001, Sonderbestimmungen für die Häfen im Lande Bremen, Tarifvertrag für den Autoumschlag in Bremerhaven, Lohntarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, Lohntarifvertrag für die Häfen im Lande Bremen sowie der Eingruppierungsvertrag vom 26.05.2000 (für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.05.2000 begründet worden ist).
Ferner gelten die Verwaltungsordnung und die Arbeitsordnung für den G..... in der jeweils gültigen Fassung.
[...]
Die "Sonderbestimmungen für die Häfen im Lande Bremen unter Berücksichtigung des Rahmentarifvertrages für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe gültig ab 01.04.1992" in der Fassung vom 01.06.2005 (nachfolgend: Sonderbestimmungen) enthalten u.a. folgende Regelungen:
VIII.
Jahreszuwendung
§ 26
13. Monatslohn
1. Zusätzlich zum tariflichen Arbeitsentgelt erhalten die Hafenarbeiter eine Jahreszuwendung.
2. Diese Jahreszuwendung beträgt:
a) nach mehr als 12-monatigem ununterbrochenen Besitz der Hafenarbeitskarte 40 Grundstundenlöhne,
b) nach mehr als 24-monatigem ununterbrochenen Besitz der Hafenarbeitskarte 80 Grundstundenlöhne,
c) nach mehr als 36-monatigem ununterbrochenen Besitz der Hafenarbeitskarte 120 Grundstundenlöhne,
d) nach mehr als 48-monatigem ununterbrochenen Besitz der Hafenarbeitskarte 173 Grundstundenlöhne (13. Monatslohn).
Für Hafenarbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis nach dem 31.12.2000 begründet wird, beträgt die Jahreszuwendung
a) nach mehr als 12-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses: 20% des Monatsgrundlohns der jeweiligen Lohngruppe
b) nach mehr als 24-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses: 35% des Monatsgrundlohns der jeweiligen Lohngruppe
c) nach mehr als 36-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses: 50% des Monatsgrundlohns der jeweiligen Lohngruppe
d) nach mehr als 48-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses: 60% des Monatsgrundlohns der jeweiligen Lohngruppe
e) nach mehr als 60-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses: 75% des Monatsgrundlohns der jeweiligen Lohngruppe
f) nach mehr als 72-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses: 100% des Monatsgrundlohns der jeweiligen Lohngruppe
Als Stichtag für die Ermittlung der Beschäftigungszeit bzw. der Dauer des Arbeitsverhältnisses gilt der 31. Dezember des betreffenden Jahres
3. In Häfen, in denen keine Hafenarbeitskarte oder ein verglei...