Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageänderung in der Berufungsinstanz. Arbeitnehmerüberlassung und Gemeinschaftsbetrieb. Schadensersatz bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Klageänderung in der Berufung ist nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht diese für sachdienlich hält und sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht in seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Für die Sachdienlichkeit kommt es hauptsächlich auf die Prozesswirtschaftlichkeit an.
2. Arbeitnehmerüberlassung und Gemeinschaftsbetrieb schließen sich gegenseitig aus. Die notwendige Voraussetzung eines Gemeinschaftsbetriebs, dass mindestens zwei Unternehmen gemeinsam einen eigenen arbeitstechnischen Zweck verfolgen, ist nicht erfüllt, wenn sich eines der Unternehmen auf die Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern an das andere Unternehmen beschränkt. Die wesentlichen Arbeitgeberbefugnisse werden nicht von einem einheitlichen Leitungsapparat getroffen, weil dieser nicht existiert.
3. Verfügt der Entleiher über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und hat er darüber hinaus den Arbeitnehmer fälschlicherweise an einen fingierten Gemeinschaftsbetrieb ausgeliehen, so steht dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch nach § 10 Abs. 2 AÜG zu. Zu ersetzen sind alle Schäden, die der Leiharbeitnehmer dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Leiharbeitsvertrags vertraut. Dazu gehören auch diejenigen Ansprüche gegen den Entleiher nach § 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG aus einem mit ihm gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingierten Arbeitsverhältnis, sofern der Leiharbeitnehmer diese Ansprüche gegen den Entleiher nicht durchsetzen kann.
Normenkette
ZPO §§ 529, 533; ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1; AÜG § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 21.02.2019; Aktenzeichen 8 Ca 8305/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 21.2.2019 - 8 Ca 8305/18 - abgeändert und die Beklagte verurteilt an den Kläger
für den Monat Januar 2018 EUR 627,65 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.02.2018 zu zahlen;
für den Monat Februar 2018 EUR 612,35 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.03.2018 zu zahlen;
für den Monat März 2018 EUR 622,55 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.04.2018 zu zahlen;
für den Monat April 2018 EUR 617,45 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.05.2018 zu zahlen;
für den Monat Mai 2018 EUR 627,65 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.06.2018 zu zahlen;
für den Monat Juni 2018 EUR 617,45 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.07.2018 zu zahlen;
für den Monat Juli 2018 EUR 622,55 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.08.2018 zu zahlen;
für den Monat August 2018 EUR 627,65 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.09.2018 zu zahlen;
für den Monat September 2018 EUR 612,35 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.10.2018 zu zahlen;
für den Monat Oktober 2018 EUR 627,65 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.11.2018 zu zahlen;
für den Monat November 2018 EUR 622,55 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab dem 01.12 2018 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 77 % und die Beklagte zu 23 % zu tragen.
3. Gegen diese Entscheidung wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des AÜG und in diesem Zusammenhang darüber, ob vorliegend Arbeitnehmerüberlassung vorliegt.
Der Kläger ist seit dem 14. April 2004 bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag des Klägers (Bl. 7-11 d.A.) verpflichtet diesen, als Leiharbeitnehmer in einem durch die Beklagte zu bezeichnenden anderen Betrieb tätig zu werden, soweit die gesetzlichen Bestimmungen eine Beschäftigung als Leiharbeitnehmer zulassen. Weiter regelt der Arbeitsvertrag, dass der Kläger für seine Tätigkeit ein monatliches Entgelt nach der Bewertungsgruppe BWG II des jeweils gültigen Tarifvertrags für die Roland Brauerei S. GmbH erhält. Der Kläger wird als Staplerfahrer in der B. B. & C GmbH eingesetzt und monatlich mit einem Grundentgelt i.H.v. 2.733,31 € brutto entsprechend der Bewertungsgruppe III des jeweils gültigen Tarifvertrages für die R. B. S. GmbH vergütet. Staplerfahrer, die bei der B. B. & C GmbH beschäftigt sind, erhalten eine monatliche Grundvergütung i.H.v. 3.243,66 € brutto zzgl. einer arbeitstäglichen Funktionszulage in Höhe von 5,10 €, ein 13. Jahresgehalt sowie ein Urlaubsgeld i.H.v. 1.000,00 €. Die differenzierenden Vergütungen sind im Entgelttarifver...