Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Differenzlohnklage eines Leiharbeitnehmers bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Leiharbeitnehmer die wesentlichen Arbeitsbedingungen der Entleiherin zu gewähren, kann gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 AÜG a.F. aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten Anwendbarkeit tarifvertraglicher Regelungen ausgeschlossen werden.
2. Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen ist nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB hinreichend transparent. Soweit zumindest auf einer Seite mehrere Tarifvertragsparteien am Tarifabschluss beteiligt sind, stellen die unterzeichnenden Mitgliedsgewerkschaften als Tarifgemeinschaft im Verhältnis zur Gegenseite eine “Einheit„ dar (“Einheitstarifvertrag„).
3. Als Arbeitsbedingungen im Sinne des § 9 Nr. 2 und § 10 Abs. 4 AÜG sind ausschließlich die in der Richtlinie 104/2008/EG vom 19.11.2008 (Leiharbeit) ausdrücklich bezeichneten Regelungsmaterien anzusehen. Die Aufzählung der wesentlichen Arbeitsbedingungen in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i, ii und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 104/2008/EG ist abschließend.
Normenkette
AÜG § 9 Nr. 2; AÜG a.F. § 10 Abs. 4 S. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 2; EGRL 104/2008 Art. 3 Abs. 1 Buchst. f Fassung: 2008-11-19, Buchst. i Fassung: 2008-11-19, Buchst. ii Fassung: 2008-11-19, Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. A) Fassung: 2008-11-19
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 16.03.2017; Aktenzeichen 5 Ca 5482/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 16.03.2017 - 5 Ca 5482/16 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 43 % und die Beklagte zu 57 % zu tragen.
3. Die Revision wird gegen dieses Urteil zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Inhalt der arbeitsvertraglichen Tätigkeit des Klägers sowie um Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.
Die Beklagte betreibt ein Zeitarbeitsunternehmen. Ein Betriebsrat ist bei ihr nicht gebildet. Der am ... geborene und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 11.11.2013 bei der Beklagten, die in der Regel mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt, als Kraftfahrer tätig. Das Arbeitsverhältnis beruhte auf dem Arbeitsvertrag vom 11.11.2013 (Anlage 1, Bl. 9 f. d.A.), auf der Vertragsänderung vom 14.04.2014 (Anlage 3, Bl. 15 d.A.) sowie auf der Vertragsänderung vom 25.04.2014 (Anlage 2, Bl. 14 d.A.). Im Arbeitsvertrag vom 11.11.2013 ist zu Beginn des Vertrages Folgendes geregelt:
"Tarifliche Regelung
Auf das Arbeitsverhältnis finden im Sinne einer dynamischen Verweisung die folgenden von der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ e.V.) abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung:
- Manteltarifvertrag Zeitarbeit (MGV) in der aktualisierten Fassung vom 01.07.2010
- Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit (ERTV) in der Fassung vom 01.07.2010
- Entgelttarifvertrag Zeitarbeit in der Fassung vom 01.07.2010
- Tarifvertrag Beschäftigungssicherung Zeitarbeit in der Fassung vom 01.07.2006
Die jeweils maßgeblichen Tarifverträge liegen im Büro des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zur Einsicht aus. Für das Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen Bestimmungen, die o.a. Tarifverträge sowie die Regelungen dieses Arbeitsvertrages."
In § 2 des Arbeitsvertrages heißt es unter "Art der Tätigkeit":
"Der Arbeitnehmer wird mit der Qualifikation als Kraftfahrer eingestellt. Entsprechend dem derzeit gültigen ERTV entspricht dies der Entgeltgruppe 2. (...)"
In § 20 des Arbeitsvertrages heißt es unter "Ausschluss von Ansprüchen":
"(...) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, sofern sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich erhoben werden. Lehnt der Arbeitgeber den Anspruch ab oder erklärt er sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, sofern er nicht innerhalb von einem Monat nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird (§ 10 MTV)."
Der Kläger war vom 14.04.2014 bis zum 31.08.2015 im Wege der Arbeitnehmerüberlassung als Coil Carrier Fahrer bei der Firma D. H. eingesetzt und dort in ein vollkontinuierliches Schichtsystem mit einer Frühschicht von 06:00 Uhr bis 14:00 Uhr, einer Spätschicht von 14:00 Uhr bis 22:00 Uhr und einer Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr eingegliedert.
Mit Änderungsvertrag vom 25.04.2014 verein...