Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zahlung einer Jahresgratifikation
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird nach dem Arbeitsvertrag zusätzlich zum Grundgehalt eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekannt gegeben wird, so unterliegt die Höhe dieser Gratifikation dem Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers gem. § 315 Abs. 1 BGB.
2. Dieses Leistungsbestimmungsrecht ist wirksam ausgeübt, wenn der Arbeitgeber bekannt gibt, dass er für einen bestimmten Zeitraum eine Gratifikation in Höhe eines halben Monatsgehalts zahlt.
3. Ein Arbeitnehmer kann keinen Anspruch auf Zahlung eines vollen Monatsgehalts daraus herleiten, dass der Arbeitgeber diesen Betrag schon im Laufe des Jahres als Abschlag gezahlt hat.
4. Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hinsichtlich der Entscheidung des Arbeitgebers über die Höhe der Gratifikation zu.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 1, §§ 151, 611
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 11.02.2016; Aktenzeichen 1 Ca 1204/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 11.02.2016 - 1 Ca 1204/15 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Gratifikationszahlung.
Der Kläger ist seit dem 01. Dezember 1991 bei der Beklagten als sog. COM-Operator zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt EUR 1.847,54 beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 15. November 1991 (Bl. 6 ff. d.A.) heißt es auszugsweise:
[...]
§ 3
Entgelt
Das monatliche Bruttogehalt - zahlbar am 1. des folgenden Monats - beträgt DM 2.812,00 zuzüglich Schichtzulage DM 280,00. Desweiteren wird für die Zeit vom 01.012.91 bis 31.12.92 ein Zuschlag in Höhe von DM 300,00 für die Betreuung der BRZ-Programme gezahlt. Zusätzlich zum Grundgehalt wird - nach Ablauf der Probezeit - als freiwillige Leistung - eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.
Sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 01. April eines Jahres begonnen hat, soll auf die vorstehende Gratifikation im Juni dieses Jahres ein Vorschuß in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt werden. Sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen, beträgt die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses.
Endet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres, ist das Unternehmen berechtigt, die geleistete Gratifikation von der letzten Gehaltszahlung im Rahmen der Pfändbarkeit einzubehalten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den dann noch offenen Restbetrag an die Gesellschaft zurückzuzahlen.
[...]
Bis einschließlich 2013 zahlte die Beklagte dem Kläger in jedem Jahr eine Sonderzahlung in Höhe eines jeweiligen Bruttomonatsgehalts, jeweils hälftig im Rahmen der Mai- und der Novemberabrechnung eines jeden Jahres.
Mit dem Gehalt für Mai 2014 zahlte die Beklagte dem Kläger einen als "Abschl. J-gratifikat." bezeichneten Betrag in Höhe von EUR 924,00,00 brutto.
Im Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, dass aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage der Beklagten eine Zahlung des zweiten Teils der Jahresendgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen könne. Mit Schreiben vom 30. Januar 2015 (Bl. 15 d.A.) forderte der Kläger von der Beklagten die Zahlung der "ausstehenden Gratifikation". Im Schreiben des Klägers heißt es:
[...]
ich erhebe hiermit Einspruch gegen das von Ihnen angekündigte Entfallen der Auszahlung der vertraglich vereinbarten Gratifikation im November 2014.
Entgegen Ihrer Ausführung ist diese Gratifikation meiner Meinung und der Rechtsprechung des BAG (Urteile des BAG von 2008, 2013 und 2014) inzwischen fester Bestandteil meines Gehaltes/Arbeitsvertrages geworden und unterliegt nicht mehr der Freiwilligkeit.
[...]
Eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte nicht.
Mit seiner am 20. April 2015 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter und begehrt von der Beklagten Zahlung eines weiteren Gratifikationsbetrags für 2014 in Höhe von EUR 924,00 brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch in der geltend gemachten Höhe aus betrieblicher Übung zu. Seit über 20 Jahren sei jedes Jahr eine Gratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehaltes gezahlt worden. Damit habe die Beklagte die Höhe des auszuzahlenden Weihnachtsgeldes entgegen der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung genau festgelegt. Die alte Vertragsregelung sei abgelöst worden. Der Kläger habe darauf vertraut, dass dies auch in Zukunft so sein werde. In den Abrechnungen sei auch nie der arbeitsvertraglich vereinbarte Begriff der "Weihnachtsgratifikation" aufgeführt worden, vielmehr sei von "Urlaubs- ...