Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung des Insolvenzverwalters. Unterlassene Massenentlassungsanzeige
Leitsatz (redaktionell)
Eine unterlassene und nicht nachholbare Massenentlassungsanzeige des Insolvenzverwalters führt dazu, dass die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis fortbestehen, weil die Entlassung unzulässig ist. In diesem Fall wirkt sich die Unwirksamkeit der Entlassung auf die Kündigung aus und macht diese ebenfalls unwirksam.
Normenkette
KSchG §§ 17-18; InsO § 113 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 18.02.2003; Aktenzeichen 10h Ca 10554/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 18.02.2003 – Az. 10 h Ca 10554/02 – wird zurückgewiesen
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung sowie einen Weiterbeschäftigungsanspruch.
Der am 18. November 1954 geborene Kläger war ab dem 05. Juli 1999 bei der Insolvenzschuldnerin als Betonbauer beschäftigt. Am 01. November 2002 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter ist der Beklagte.
Mit Schreiben vom 13. November 2002 hörte der Beklagte unter Beifügung einer Namens- und Datenliste den bei der Gemeinschuldnerin gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an.
In diesem Schreiben heißt es im letzten Absatz:
„Auf Grund der Zahl der beabsichtigten Entlassungen sind diese anzeigepflichtig gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz. Der Betriebsrat wird gebeten, zu den geplanten Entlassungen binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.”
Ausweislich der dem Betriebsrat überreichten Liste beschäftigte der Betrieb der Insolvenzschuldnerin Ende des Jahres insgesamt 57 Arbeitnehmer. Zum 31. Dezember 2002 sollten 20 Mitarbeiter, bis 31. Januar 2003 drei weitere Mitarbeiter und die übrigen Mitarbeiter zum 28. Februar 2003 entlassen werden.
Eine Massenentlassungsanzeige gegenüber dem Arbeitsamt erfolgte jedoch nicht.
Mit Schreiben vom 22. November 2002 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31. Dezember 2002. Unstreitig wurde der Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum 28.02.2003 weiter beschäftigt.
Der Kläger wendet sich mit seiner am 09. Dezember 2002 erhobenen und eingegangenen Klage gegen den Ausspruch dieser Kündigung. Er bestreitet den Wegfall seines Arbeitsplatzes, rügt die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates und das Fehlen einer Massenentlassungsanzeige gegenüber dem Arbeitsamt. Er trägt vor, dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin veräußert werden solle und von einem neuen Betriebsinhaber die materiellen und immateriellen Werte des bisherigen Betriebes im Wege des Betriebsüberganges übernommen würden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass die mit Schreiben vom 22.11.2002 ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat,
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den 28. Februar 2003 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen,
festzustellen, dass auch aus anderen Gründen das zwischen dem Kläger und der b. GmbH & Co. KG bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet ist,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger gegenüber eine Annahmeerklärung abzugeben, gerichtet auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit Wirkung ab 01. März 2003 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen aus dem Arbeitsvertrag vom 28. Juni 1999 unter Anrechnung der früheren Beschäftigungszeiten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, bereits vor Ausspruch der Kündigung den Entschluss gefasst zu haben, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2002 stillzulegen. Nachdem die maßgebende Gesellschaft, die K. GmbH & Co. KG im September 2002 Insolvenzantrag über ihr Vermögen habe stellen müssen, sei die Insolvenzschuldnerin in diesem Verfahren in erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Auf Grund der Betriebsschließung seien sämtliche Arbeitsplätze bei der Insolvenzschuldnerin betroffen gewesen und es sei auch sämtlichen kündbaren Arbeitnehmern zeitgleich mit dem Kläger durch den Beklagten gekündigt worden. Aus diesem Grund sei eine soziale Auswahl nicht zu treffen gewesen.
Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden; insoweit genüge die dem Anhörungsschreiben beigefügte Liste, die auch den Namen und die Daten des Klägers beinhalte, den Anforderungen des § 102 BetrVG. Im Übrigen sei eine abschließende Erklärung des Betriebsrates bereits in einem zwischen den Betriebsparteien abgeschlossenen Interessenausgleich vom 20. Dezember 2002 erfolgt. Neben dem Interessenausgleich sei am 07. Januar 2003 darüber hinaus ein Sozialplan abgeschlossen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht in Bremen hat a...