Verfahrensgang

ArbG Bremerhaven (Urteil vom 31.10.1985; Aktenzeichen 1 Ca 563/85)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremerhaven vom 31. Oktober 1985 – 1 Ca 563/85 – wird als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremerhaven vom 31. Oktober 1985 – 1 Ca 563/85 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 1.473,75 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird als unbegründet zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 2/5 und die Beklagte 3/5.

Der Streitwert wird für beide Instanzen neu festgesetzt auf DM 2.300,–.

 

Tatbestand

Die 39jährige Klägerin war seit dem 03.05.1976 bei der Beklagten als Teilzeitkraft beschäftigt. Die Beklagte betreibt eine Supermarkt kette mit zahlreichen Filialen in der gesamten Bundesrepublik mit insgesamt fast 10.000 Mitarbeitern. Alle Filialen sind organisatorisch in zwei Regionen aufgeteilt; Die Region Nordwest und die Region Süd. Zu der Region Nordwest gehörten auch drei Filialen in der Stadt Bremerhaven, und zwar die Filiale Georgstrasse mit 21 zum Betriebsrat wahlberechtigten Mitarbeitern, die Filiale Hafenstrasse mit 15 Mitarbeitern und die Filiale Bürgermeister-Smidt-Strasse mit 20 Mitarbeitern. Die Klägerin war in der Filiale Georgstrasse beschäftigt. In diesem Supermarkt arbeitete sie bis zum 16.06.1985 als Warenauffüllerin. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 8 Stunden verdiente sie zuletzt 327,50 DM im Monat. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Auflösungsvertrag vom 18.06.1985 einvernehmlich mit Ablauf des 31.08.1985 beendet.

Bei der Beklagten besteht sowohl für die Region Nordwest als auch für die Region Süd jeweils ein Betriebsrat, welcher von jeweils allen wahlberechtigten Mitarbeitern der betreffenden Region gewählt wird. In der Region Nordwest sind insgesamt 3.904 Mitarbeiter beschäftigt. Aus den Mitgliedern beider getrennt gewählter Betriebsräte ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet worden. Sitz der Betriebsräte ist Düsseldorf. Dort befindet sich auch die zentrale Verwaltung der Beklagten, deren Aufgabe darin besteht, alle wesentlichen Entscheidungen bezüglich Planungswesen, Buchhaltung, Grundstückswesen, Mietvertragswesen und Schliessen und Eröffnen von Filialen zu treffen. Auch über den gesamten Einkauf und die jeweiligen Lieferanten vor Ort wird in der zentralen Verwaltung entschieden. Ein Verwaltungsunterzentrum der Beklagten befindet sich in Hamburg. Dort wird alles entschieden, was den örtlichen Verkauf betrifft, z. B. Werbung und Preise. Die Zuständigkeit der Betriebsräte Nordwest und Süd ist unabhängig vom Unternehmensaufbau festgelegt worden.

Ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG hat zum Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nicht bestanden.

In einer Sitzung vom 22.05.1984 hat der Betriebsrat der Region Nordwest eine für seine Mitglieder bestimmte Geschäftsordnung beschlossen. In Ziff. 3 dieser Geschäftsordnung sind entsprechend §§ 27, 20 Betriebsverfassungsgesetz drei Personalausschüsse bestellt worden, die wiederum für bestimmte örtliche Bereiche der Region Nordwest zuständig sind. In Ziff. 3 Satz 4 dieser Geschäftsordnung heisst es wörtlich:

„Die Personalausschüsse können in allen Angelegenheiten aus dem Bereich der personellen Mitbestimmung selbständig und verbindlich handeln.”

Die Beklagte hat die drei Supermärkte in Bremerhaven am 18.06.1985 geschlossen. Durch die Schliessung der Filialen in Bremerhaven waren insgesamt 56 Arbeitnehmer betroffen. Die Filialen in Bremerhaven wurden bis zur Schliessung von jeweils einem Marktleiter geführt.

Die Klägerin macht mit der Klage die Zahlung eines Nachteilsausgleichs geltend.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass in der Schliessung der Bremerhavener Filialen eine Betriebsänderung zu sehen sei. In diesem Zusammenhang könne nicht auf den Gesamt betrieb der Beklagten abgestellt werden, die von der Schliessung betroffenen Filialen seien vielmehr eigenständige Betriebe. Daraus folge, dass in der Schliessung der Filialen jeweils einzelne Betriebsstillegungen zu sehen seien. Die Klägerin hat bestritten, dass der Betriebsrat über die Schliessung der Bremerhavener Filialen rechtzeitig und umfassend unterrichtet worden ist. Sämtliche Mitarbeiter und auch der Betriebsrat seien durch die Schliessung vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Die totale Schliessung der drei Bremerhavener Filialen haben bei sämtlichen Mitarbeitern zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, eine angemessene Abfindung als Nachteilsausgleich zu zahlen, mindestens aber 2.300,– DM brutto = netto.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ein interessenausgleichspflichtiger Tatbestand nicht vorgelegen habe. Die Schliessung der drei Bremerhavener Filialen der Beklagten sei keine Stillegung von „wesentlichen Betriebsteilen” i.S.d. § 111 S. 2 Ziff. 1 des Be...

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