Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung. Risikobegrenzung und Kalkulierbarkeit der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht bei der Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Leistungsplan und Leistungsverzeichnis sind als Bestandteil einer Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung wegen ihres normativen Charakters nach den für Tarifverträge und für Gesetze geltenden Grundsätzen auszulegen. Es ist also die Auslegung nach Wortlaut, nach dem wirklichen Willen der Betriebsparteien und nach dem Gesamtzusammenhang der Regelungen vorzunehmen.

2. Der Versorgungsschuldner kann den Kreis der anspruchsberechtigten Dritten aus dem Versorgungswerk dadurch begrenzen, dass eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers nicht die Hinterbliebenenversorgung einer später geheirateten Ehegattin erfasst. Der Versorgungsschuldner hat ein berechtigtes Interesse daran, die von ihm freiwillig eingeführte Hinterbliebenenversorgung auf einen Personenkreis zu beschränken, hinsichtlich dessen der Versorgungsbedarf bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses angelegt war. Die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Versorgungsschuldner bei der Abgrenzung seiner Leistungspflichten unberücksichtigt lassen.

3. Die Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung auf Ehen, die bereits während des Arbeitsverhältnisses bestanden, ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Eine solche Regelung steht weder im Widerspruch zu den gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmungen des § 1b Abs. 1 BetrAVG noch verstößt sie gegen das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Benachteiligung wegen Alter oder Geschlecht nach den Regelungen des AGG.

 

Normenkette

BetrAVG § 1b Abs. 1; AGG §§ 1, 3 Abs. 1-2, § 7 Abs. 1; BV UFBA Leistungsplan § 2 Fassung: 1992-10-01, § 3 Fassung: 1992-10-01, § 4 Fassung: 1992-10-01, § 5 Fassung: 1992-10-01, § 6 Fassung: 1992-10-01, § 7 Fassung: 1992-10-01, § 8 Fassung: 1992-10-01; BV UFBA Leistungsverzeichnis Nr. 3 Abs. 3 Fassung: 1992-10-01, Nr. 4.2.1 Fassung: 1992-10-01

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 02.12.2021; Aktenzeichen 3 AZR 212/21)

 

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 25. Juni 2020 bleibt aufrechterhalten.

2. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten eine Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann.

Die Klägerin ist die Witwe des am 04. Juli 2018 verstorbenen T. H. . Die Ehe war am 13. August 2010 geschlossen worden. Bis zur Scheidung am 08. Juni 2000 war Herr T. H. mit Frau P. H. verheiratet.

Herr T. H. stand vom 01. September 1983 bis zum 31. Mai 1999 bei der Beklagten bzw. einer Rechtsvorgängerin in einem Arbeitsverhältnis.

Bei der Beklagten existiert eine betriebliche Altersversorgung. Grundlage ist eine am 01. Oktober 1992 in Kraft getretene Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung über die UFBA Unterstützungskasse (Bl. 7 der Akte; nachfolgend: BV Altersversorgung). Darin heißt es:

§ 1 Versorgungsberechtigte Mitarbeiter

Für die Mitarbeiter/innen, die nach dem 30.06.1983 in das Unternehmen eingetreten sind, wird ab 01.10.92 eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet, indem die GEWOBA als Trägerunternehmen der UFBA Unterstützungskasse zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung beitritt.

§ 2 Art, Umfang und Höhe der Leistungen

Art, Umfang und Höhe der Leistungen ergeben sich aus dem Leistungsplan der UFBA Unterstützungskasse und dem Leistungsverzeichnis für die Mitarbeiter/innen der GEWOBA, die Bestandteile dieser Betriebsvereinbarung sind.

[...]

Der Leistungsplan der Unterstützungskasse zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung e.V. [UFBA] (Bl. 8 ff. der Akte; nachfolgend: Leistungsplan) bestimmt auszugsweise folgendes:

[...]

§ 2 Leistungsempfänger/innen

Leistungen werden gewährt an Mitarbeiter/innen der Trägerunternehmen im Sinne von § 5 Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe a Körperschaftssteuergesetz, denen eine Zusage erteilt wurde.

[...]

§ 4 Leistungsvoraussetzungen

Voraussetzung für die Gewährung von Versorgungsleistungen ist, daß der/die Anspruchsteller/in zum Kreis der Leistungsempfänger/innen gemäß § 2 gehört.

Im Leistungsverzeichnis des Trägerunternehmens ist festgelegt, welchen Mitarbeitern/innen eine Zusage erteilt wird.

§ 5 Altersversorgung

Leistungen der Altersversorgung erhält, wer die Voraussetzungen nach § 4 erfüllt und mit Erreichen der Altersgrenze nach § 3 in Ruhestand tritt.

[...]

§ 6 Hinterbliebenenversorgung

Leistungen der Hinterbliebenenversorgung nach Tod der/des Mitarbeiterin/s erhält, wer die Voraussetzungen des § 4 erfüllt.

Art, Höhe und Fälligkeit der Versorgungsleistungen sind im Leistungsverzeichnis der Trägerunternehmen festgelegt.

§ 7 Versorgung bei Berufsunfähigkeit

Versorgungsleistungen bei Berufsunfähigkeit erhält, wer die Voraussetzungen des § 4erfüllt und wegen mindestens 50%iger Berufsunfähig...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge