Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzugslohn. Fristlose Kündigung. Böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitnehmer ist zwar nicht verpflichtet, ein Arbeitsangebot seines Arbeitgebers anzunehmen, solange dieser an der Kündigung festhält. Damit werden aber die in § 11 KSchG bzw. § 615 S. 2 BGB festgelegten Anrechnungsmöglichkeiten nicht außer Kraft gesetzt.

2. Der Arbeitnehmer verliert den Anspruch auf ungekürzten Annahmeverzugslohn, wenn er diesen treuwidrig mit sich augenfällig widersprechenden Tatsachenbehauptungen begründet und durch die beharrliche Vertretung seines Rechtsstandpunkts, der es dem Arbeitgeber nimmt, sich im Kündigungsschutzprozess ökonomisch vernünftig zu verhalten.

 

Normenkette

KSchG § 11 S. 1 Nr. 2; BGB § 615 S. 2, § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen (Urteil vom 11.03.2004; Aktenzeichen 6 Ca 6253/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.07.2005; Aktenzeichen 5 AZR 578/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten hin… wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 11.03.2004 – Az. 6 Ca 6253/03 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Anspruch des Klägers auf Lohn aus Annahmeverzug nach rechtskräftig festgestellter Unwirksamkeit einer vorangegangenen Kündigung.

Der am 28.09.1958 geborene Kläger ist seit dem 05.08.1996 bei der Beklagten beschäftigt. Gemäß § 1 seines Arbeitsvertrages war der Kläger als Rohrschlosser in der Produktion tätig. Sofern es aus betrieblichen Gründen erforderlich sein würde, war er jedoch auch verpflichtet, Arbeiten in artfremden Berufen zu leisten. Darüber hinaus war der Kläger verpflichtet, auswärtige Arbeitsleistungen zu erbringen, und zwar auf jeder ihm zugewiesenen Arbeitsstelle.

Mit Schreiben vom 27.12.2002, dem Kläger zugegangen am 28.12.2002, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum Ablauf des 28.02.2003. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 16.01.2003, bei Gericht eingegangen am 17.01.2003, Kündigungsschutzklage (Arbeitsgericht Bremen, Az.: 6 Ca 6028/03).

In der Güteverhandlung am 18.02.2003 erklärte der Kläger, dass der an der Weiterbeschäftigung bei der Beklagten interessiert sei.

Mit Schreiben vom 25.02.2003 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

„Sehr geehrter Herr Sp.,

wie Sie bei Gericht erklärt haben, möchten Sie weiterhin bei uns arbeiten. Hierzu teilen wir Ihnen mit, dass Sie ab Montag, den 03.03.2003 weiterhin auf der jetzigen Baustelle: E. Kraftwerk-Farge, B., B., eingesetzt werden, zumindest solange wie das Verfahren läuft oder wir für Sie gegebenenfalls eine Stelle als Helfer bundesweit haben.

Mit freundlichem Gruß M. GmbH

gez. Unterschrift (i.A. P. M.)”

Mit Schreiben vom 28.02.2003 erhielt der Kläger folgende Mitteilung der Beklagten:

„Sehr geehrter Herr Sp.,

wie Sie bei Gericht erklärt haben, möchten Sie weiterhin bei uns arbeiten. Hierzu teilen wir Ihnen mit, dass Sie ab Montag, den 03.03.2003 nicht wie vorgesehen auf Ihrer jetzigen Baustelle: E. Kraftwerk F., B., B. eingesetzt werden, sondern sich bitte um 06.45 Uhr bei der Firma W. M. GmbH, H., B., zum neuen Einsatz einfinden, zumindest solange wie das Verfahren läuft oder wir für Sie gegebenenfalls eine Stelle als Helfer bundesweit haben.

Mit freundlichem Gruß M. GmbH

gez. Unterschrift (i.V. P. M.)”

Auf das Schreiben der Beklagten vom 25.02.2003 antwortete der Klägervertreter mit Schreiben vom 28.02.2003:

„Sehr geehrter Herr Kollege S.,

in vorbezeichneter Angelegenheit erhielt unser Mandant am 26.02.2003 das beigefügte Schreiben der Firma M. GmbH. Damit wird er gebeten, weiterhin auf der Baustelle Kraftwerk F. zu arbeiten, zumindest solange wie das Kündigungsschutzverfahren laufe.

Bekanntlich hat die Firma M. GmbH Herrn Sp. eine fristgerechte Kündigung zum Ablauf des 28. Februar 2003 erteilt. Die Arbeitgeberin will offenbar an der Kündigung festhalten, denn Sie hat keineswegs erklärt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu Unrecht erfolgt sei und Herr Sp. zu den bisherigen Bedingungen des schriftlichen Arbeitsvertrages weiterbeschäftigt werde. Solange nicht klargestellt wird, dass die Arbeitgeberin an ihrer Kündigung nicht festhalte, besteht keine Verpflichtung für Herrn Sp., die Arbeit am 03. März 2003 wieder aufzunehmen.

Ausdrücklich bietet Herr Sp. seine Arbeitskraft hiermit für den Fall an, dass die Firma M. GmbH von der Kündigung Abstand nimmt und Herrn Sp. eine Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zur Verfügung stellt.

Es muss aber zunächst einmal klargestellt werden, auf welcher Grundlage das Arbeitsverhältnis eventuell weiterbestehen soll.

Freundliche und kollegiale Grüße

gez. Unterschrift Rechtsanwalt R.H. R..”

Als der Kläger sodann am 03.03.2003 nicht auf der Baustelle erschien, mahnte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 03.03.2003 ab und kündigte, nachdem der Kläger am 04.03.2003 nach wie vor nicht erschien, mit Schreiben vom 04.03.2003 außerordentlich fristlos. Auf die Abmahnung r...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge