Verfahrensgang

ArbG Bremen (Urteil vom 18.04.1991; Aktenzeichen 8 Ca 8021/91)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 18.4.1991 – 8 Ca 8021/91 – wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Tenor des angefochtenen Urteils wird zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß das Ausbildungsverhältnis des Klägers durch die vom Konkursverwalter der Firma … mit Schreiben vom 5.2.1991, dem Kläger zugegangen am 6.2.1991, ausgesprochene Kündigung das Ausbildungsverhältnis nicht zum 6.2.1991, sondern zum 31.3.1991 beendet hat.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob das Ausbildungsverhältnis fristlos oder fristgerecht gekündigt werden muß.

Der Kläger stand mit der Gemeinschuldnerin im Vertragsverhältnis als Auszubildender zum Beruf des Kommunikationselektronikers/Informationstechniker. Er erhielt zuletzt eine Ausbildungsvergütung in Höhe von DM 822,–. Das – im August 1988 begründete – Ausbildungsverhältnis sollte am 31.1.1992 enden. Der Beruf gilt als Angestelltenberuf, wie beide Parteien in der Berufungsinstanz übereinstimmend vorgetragen haben.

Am 5.12.1990 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet.

Mit Schreiben vom 5.2.1991, dem Kläger zugegangen am 6.2.1991, kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos nach § 22 KO. Im Kündigungsschreiben führte der Beklagte – was zwischen den Parteien unstreitig ist – aus, daß der Betrieb der Gemeinschuldnerin vollständig eingestellt sei und ein Ausbildungsplatz und Ausbilder nicht mehr zur Verfügung stünden.

Die Anrufung des gemäß § 111 II ArbGG bestehenden Schlichtungsausschusses wegen der Kündigung und einer Entschädigung für den Verlust des Ausbildungsplatzes waren erfolglos, da er sich nicht für zuständig hielt, zur Streitfrage Stellung zu nehmen.

Mit der am 27.2.1991 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger – in Übereinstimmung mit dem Beklagten – geltend gemacht, das Ausbildungsverhältnis könne zwar in dieser Situation gekündigt werden, entgegen der Auffassung des Beklagten müsse aber die Kündigungsfrist eingehalten werden, die gelten würde, wenn sich der Kläger im Angestelltenberuf als ausgebildeter Kommunikationselektroniker befinden würde. Das Ausbildungsverhältnis könne daher frühestens zum 31.3.1991 beendet werden.

Im übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 I ZPO Abstand genommen.

Das Arbeitsgericht hat, nachdem die Parteien im Anschluß an die Güteverhandlung die streitige Verhandlung und die Entscheidung durch den Vorsitzenden allein beantragt haben, am 18.4.1991 das folgende Urteil verkündet:

  1. Es wird festgestellt, daß das Ausbildungsverhältnis des Klägers durch die von dem Konkursverwalter der Firma … mit Schreiben vom 5.2.1991, dem Kläger zugegangen am 6.2.1991, ausgesprochene fristlose Kündigung nicht vor dem 31.3.1991 beendet worden ist.
  2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger trägt 2/5 und der Beklagte 3/5 der Kosten des Rechtsstreits.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 2.466,– festgesetzt.
  5. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

In den Entscheidungsgründen hat es i.w. ausgeführt:

Unschädlich sei, daß der Schlichtungsausschuß sich für nicht zuständig gehalten habe, den Streit in der Sache zu entscheiden.

Die außerordentliche Kündigung sei zwar grundsätzlich zulässig. Im Verhältnis zwischen § 15 II BBiG und § 22 KO sei aber die Regelung in § 22 KO als Spezialregelung zu sehen. Nur eine solche Auslegung genüge der Schutzfunktion beider Bestimmungen.

Es bestehe auch kein Grund, Auszubildende, die von § 15 II BBiG besonders geschützt würden, im Vergleich zu Angestellten der gleichen Berufsart schlechter zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird ergänzend auf Bl. 34–38 d.A. verwiesen.

Gegen dieses dem Beklagten am 17.6.1991 zugestellte Urteil hat er am 28.6.1991 Berufung eingelegt und sie/sogleich begründet.

§ 22 I 2 KO verweise auf die gesetzliche Kündigungsfrist. Da es eine solche für den Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit gemäß § 15 II Ziff. 1 BBiG nicht gebe, könne ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden.

Auch unter dem Aspekt des besonderen sozialen Schutzbedürfnisses bestehe kein Anlaß, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen. Der Auszubildende erhalte Arbeitslosenunterstützung und die Hilfe der nach dem BBiG zuständigen Stellen bei dem Bemühen, eine neue Ausbildungsstelle zu finden.

Der Gesichtspunkt der Schlechterstellung gegenüber dem schon ausgebildeten, im Arbeitsverhältnis stehenden Überzeuge nicht. Während der Arbeitnehmer im Konkursfall unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt werden könne, scheide diese Möglichkeit beim Auszubildenden aus: Der Konkursverwalter müsse nach § 6 BBiG die Ausbildung durchführen, eine Freistellung sei nach § 18 BBiG unwirksam. Die Einhaltung der Kündigungsfrist verpflichte ihn zu einer ihm nicht möglichen Leistung.

Er beantragt,

das Urteil des ...

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