Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswidriger Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens bei unzureichender Dokumentation des sachlichen Grundes und Mitteilung der Auswahlentscheidung zu Gunsten einer ungeeigneten Bewerberin
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtfertigender sachlicher Grund kann insbesondere in dem Umstand bestehen, dass keine Bewerberperson die an die Stelleninhaberin oder den Stelleninhaber gerichteten Anforderungen erfüllt. Der für den Abbruch maßgebliche Grund muss, sofern er sich nicht offensichtlich aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden.
2. Während eines laufenden Stellenbesetzungsverfahrens dürfen keine sachlichen Gründe für einen Abbruch geschaffen werden, um eine Entscheidung zu Gunsten einer bestimmten Bewerberin zu verhindern. Ein Verfahrensabbruch, der gegen diesen Grundsatz verstößt, ist rechtswidrig.
3. Die öffentliche Arbeitgeberin kann nicht durch einen von ihr selbst verursachten Fehler (Mitteilung der Auswahlentscheidung zu Gunsten einer Bewerberin, die unstreitig nicht die Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllt) einen sachlichen Grund für den Abbruch des Besetzungsverfahrens selbst erzeugen.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 17.10.2017; Aktenzeichen 4 Ga 410/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 17.10.2017 - 4 Ga 410/17 - abgeändert und die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,
1. bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren zur Besetzung der unter der Kennziffer 2017-03 ausgeschriebenen Stelle als Mitarbeiter/in für das betriebliche Gesundheits- und Entwicklungsmanagement bei der W. Bremen mit dem bestehenden Bewerberkreis fortzusetzen;
2. es zu unterlassen, die unter der Kennziffer 2017-03 ausgeschriebene Stelle als Mitarbeiter/in für das betriebliche Gesundheits- und Entwicklungsmanagement bei der W. Bremen zu besetzen, solange das Hauptsacheverfahren am Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven über die Besetzung der Stelle nicht rechtskräftig beendet ist.
Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verurteilung der Verfügungsbeklagten zur Fortsetzung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens sowie die Unterlassung der endgültigen Besetzung der zu besetzenden Stelle.
Die Verfügungsklägerin ist seit dem 15. August 2006 bei der Beklagten im Bereich der W. Bremen, Trägerin der Werkstatt für behinderte Menschen W. und weiterer berufsfördernder Angebote, auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 15. Juli 2009 (Anl. A 5, Bl. 15 d.A.) als Ergotherapeutin beschäftigt.
Über die Tätigkeit der Verfügungsklägerin wurde zuletzt das Zwischenzeugnis vom 28. August 2017 ausgestellt (Anl. A 11, Bl. 43 d.A.). Aus dem zur Akte gereichten Lebenslauf der Verfügungsklägerin vom 30. März 2006 (Anl. A 8, Bl. 19 f. d.A.), auf den wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, geht ihr Ausbildungs- und beruflicher Werdegang hervor. Sie verfügt insbesondere über ein Zertifikat der Universität B. (Anl. A 4, Bl. 14 d.A.), wonach sie das viersemestrige Weiterbildende Fernstudium Angewandte Gesundheitswissenschaften erfolgreich abgeschlossen hat und zur Führung der Bezeichnung "Gesundheitsmanagerin" berechtigt ist. Ferner verfügt sie über einen Abschluss als Master of Science im Studiengang Public Health vom 25. Oktober 2016 (Anl. A 3, Bl. 13 d.A.).
Unter der Kennziffer 2017-03 schrieb die Verfügungsbeklagte eine Stelle für ein/e Mitarbeiter/in für das betriebliche Gesundheits- und Entwicklungsmanagement aus (Anl. A 1, Bl. 11 d.A.). Zu den darin genannten Voraussetzungen gehören an erster und zweiter Stelle:
- Tätigkeitsbezogene abgeschlossene Hochschulbildung oder tätigkeitsbezogene Berufsausbildung und eine gesundheitsbezogene Weiterbildung
- Berufserfahrung und Erfahrungen im Aufgabengebiet
Auf diese Stelle bewarb sich die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 20. April 2017 (Anl. A 2, Bl. 12 d.A.). Neben der Verfügungsklägerin bewarb sich Frau K., die ehemalige Personalratsvorsitzende der Verfügungsbeklagten, auf diese Stelle.
In einem Gespräch mit Vertretern der Verfügungsbeklagten am 1. August 2017 erfuhr die Verfügungsklägerin, dass die Verfügungsbeklagte beabsichtige, die Stelle mit der anderen Bewerberin zu besetzen.
In dem daraufhin von der Verfügungsklägerin vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven zum Az. 4 Ga 408/17 geführten Verfahren verständigten sich die Parteien in einem Vergleich vom 8. August 2017 darauf, dass die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin bis zum 1. September 2017 die Gründe für die Auswahl zur Besetzung der in Rede stehenden Stelle und die entscheidenden Wertungsfaktoren, die der Auswahl zugrunde gelegen haben, mitteilen und es vorläufig bis zu drei Wochen nach Zugang der genannten Informatio...