Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz. Rechtsschutz gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens im öffentlichen Dienst. Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn bei der Bestimmung des Anforderungsprofils. Abbruch einer Stellenausschreibung im öffentlichen Dienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Klageänderung ist in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
2. Ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) kann gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden.
3. Durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils für einen Dienstposten/Arbeitsplatz legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber im Voraus fest. Die im Anforderungsprofil genannten leistungsbezogenen Auswahlkriterien müssen in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle stehen.
4. Revidiert der Dienstherr eine beabsichtigte Stellenbesetzung durch Bewerber und entschließt er sich, die Stelle nicht mehr zu vergeben, ist er an die Maßstäbe aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht mehr gebunden. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Dienstherr eine entsprechende Entscheidung erst nachträglich, also nach Eröffnung eines Auswahlverfahrens trifft und diesem damit rückwirkend die Grundlage entzieht. Ein Vertrauensschutz, der eine unwiderrufliche Bindung der ausgeübten Organisationsgewalt zur Folge hätte, ist mit der Ausschreibung nicht verbunden.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2; ZPO §§ 529, 533, 935, 940; GewO § 106; ArbGG § 64 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 17.01.2023; Aktenzeichen 2 Ga 32/22) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17. Januar 2023 - 2 Ga 32/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung zuletzt noch die Fortführung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens für die Stelle "Teamleiter*in (m/w/d) Personal und Finanzen" sowie die Rückgängigmachung bzw. Unterlassung vergangener und zukünftiger Maßnahmen zur Besetzung der entsprechenden Stelle.
Die seit März 2014 bei der verfügungsbeklagten B beschäftige Verfügungsklägerin ist ausgebildete Bilanzbuchhalterin (IHK), ausgebildete Kauffrau im Groß- und Einzelhandel sowie staatlich geprüfte Wirtschaftsassistentin Fremdsprachen. Im Übrigen hat sie kein Hochschulstudium und auch keine Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin absolviert. Sie war bei der Verfügungsbeklagten zunächst als Sachbearbeiterin tätig.
Ab Januar 2018 übernahm sie für ca. drei Jahre kommissarisch die Leitung der Verwaltung der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung Cognitive Interaction Technology (CITEC). In diesem Rahmen entfielen 45 Prozent ihrer Arbeitszeit auf die Leitung der Verwaltung als solche, 15 Prozent auf die Mitarbeit bei der Koordination der Leitungs- und Organisationsaufgaben und 40 Prozent auf Personalangelegenheiten.
Parallel hierzu absolvierte sie von Januar 2018 bis April 2019 erfolgreich den Qualifizierungslehrgang für die moderne Hochschulverwaltung (nachfolgend: "H2-Lehrgang") mit einer Gesamtnote von 1,9. Ausweislich des diesbezüglichen Curriculums handelt es sich um eine 530 Unterrichtsstunden sowie diverse Klausuren umfassende Qualifizierungsmaßnahme, welche u.a. folgende Themen umfasst: Hochschul-, Zivil-, Beamten-, Tarif- und Arbeits-, Verwaltungs- sowie Vergaberecht und hochschulspezifische Besonderheiten, Qualitätssicherung, Verwaltungs-BWL, Drittmittel, Controlling, Besteuerung von Hochschulen, Hochschulfinanzwirtschaft, Personalentwicklung, Mitarbeiterführung etc.
Im Sommer 2020 bewarb sich die Verfügungsklägerin auf die von der Verfügungsbeklagen in der Technischen B damalig ausgeschriebene Stelle "Teamleitung (m/w/d) Personal und Finanzen". Die Stellenausschreibung wies unter "Ihr Profil" und "Das erwarten wir" u.a. folgende Qualifikationen aus:
"abgeschlossenes Hochschulstudium mit Bezug zur Tätigkeit, vorzugsweise aus dem Bereich Personalwesen, Rechtswissenschaft, Wirtschaftsrecht, Betriebswirtschaftslehre, Controlling
alternativ: Qualifikation als Verwaltungsfachwirt*in mit langjähriger praktischer Erfahrung in dem Bereich Personal und Finanzen (vorzugsweise im Bereich Personal) oder abgeschlossener H2-Lehrgang i.V.m. einer zusätzlichen Qualifikation mit Bezug zur Tätigkeit und langjähriger praktischer Erfahrung in dem Bereich Personal und Finanzen (vorzugsweise im Bereich Personal). ..."
Nach Durchführung eines Videointerviews mit der Verfügungsklägerin sowie Abgabe einer Arbeitsprobe durch diese, entschied sich die Verfügungsbeklagte zur Besetzung der Stelle mit der ebenfalls bisher bei ihr beschäftigten Mitarbeiterin Frau A zum 01.12.2020. Au...