rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung nach Aktenlage bei Säumnis im Kammertermin. Zurückverweisung
Leitsatz (amtlich)
Gem. § 538 Abs. 2 ZPO kann das LAG den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverweisen, wenn das Arbeitsgericht in der streitigen Verhandlung eine Entscheidung nach Aktenlage verkündet hat, mit dem die Klage abgewiesen wurde, ohne dass zuvor die klagende Partei einen Sachantrag gestellt hat.
Normenkette
ZPO § 251a Abs. 1, §§ 331a, 538 Abs. 2; ArbGG § 68
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Urteil vom 06.03.2003; Aktenzeichen 5 Ca 5556/02) |
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 06.03.2003 – Az.: 5 Ca 5556/02 – wird auf die Berufung des Klägers hin aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung – auch über die Kosten der Berufung – an das Arbeitsgericht Bremen zurückverwiesen.
Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäß ausgesprochenen Kündigung.
Der Kläger ist seit 1995 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt erzielte er ein Einkommen in Höhe von etwa EUR 1.350,–. Die Beklagte beschäftigt mehr als 5 Arbeitnehmer regelmäßig.
Mit Schreiben vom 09.10.2002, zugegangen am 10.10.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos zum 10.10.2002, ersatzweise fristgerecht. Die Kündigung war damit begründet worden, dass der Kläger sich gegenüber seinem Vorgesetzten extrem aggressiv verhalten habe. Mit der am 11.10.2002 eingegangenen Klageschrift bestreitet der Kläger dies.
In der Güteverhandlung vom 20.11.2002 vor dem Arbeitsgericht Bremen wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert. Die Güteverhandlung scheiterte. Termin zur streitigen Verhandlung wurde auf den 13.02.2003 vor der Kammer des Arbeitsgerichts anberaumt. Den Parteien wurde aufgegeben, innerhalb festgesetzter Fristen vorzutragen.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2002 innerhalb der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist legte die Beklagte den Kündigungsgrund detailliert dar und trug vor, der Kläger habe sich wütend auf seinen Vorgesetzten gestürzt und gleichzeitig geschrien, er bringe ihn um. Für die Einzelheiten des Vorganges bezog sich die Beklagte auf das Zeugnis von insgesamt sieben Zeugen.
Der Kläger nahm zum Schriftsatz der Beklagten nicht Stellung. Zum Termin vom 13.02.2003 vor der Kammer erschien für den Kläger niemand.
Der Beklagtenvertreter beantragte nach Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung des Klägers durch das Gericht, die Klage abzuweisen und nach Lage der Akten zu entscheiden.
Das Arbeitsgericht Bremen setzte den Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf Donnerstag, den 06.03.2003 fest. Zu diesem Termin verkündete es folgendes Urteil:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 6.750,– festgesetzt.
Das Arbeitsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Kläger zu der konkreten und detaillierten Schilderung der Beklagten zum die Kündigung auslösenden Vorfall nicht Stellung genommen habe. Seine pauschalen Ausführungen in der Klagschrift seien für ein wirksames Bestreiten nicht ausreichend. Das Vorbringen der Beklagten gelte gem. § 138 ZPO daher als zugestanden.
Gem. den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 251 a, 331 a ZPO, 54 Abs. 1 ArbGG sei auf Antrag der Beklagten nach Aktenlage zu entscheiden gewesen. Die Güteverhandlung, in der der Streitstand in Anwesenheit beider Parteien erörtert worden sei, gelte gem. § 54 Abs. 1 ArbGG als mündliche Verhandlung im Sinne von § 251 a Abs. 1 ZPO. Der Sachverhalt sei auch hinreichend geklärt im Sinne von § 331 a ZPO.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Bl. 25 – 28 d. A.) verwiesen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen wurde dem Kläger am 13.03.2003 zugestellt. Dessen Berufung ging am 11.04.2003, die Berufungsbegründung am 13.05.2003 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.
Der Kläger legt seine Sicht der Dinge dar. Er trägt vor, es sei zu einer harmlosen verbalen Auseinandersetzung mit Kollegen gekommen, in die dann der Vorarbeiter eingegriffen habe. Dieser habe ihm unberechtigter Weise fehlerhafte Arbeit vorgeworfen. Der Kläger sei aufgrund seiner schlechten Sprachkenntnisse, oder weil ihn der Vorgesetzte nicht habe hören wollen, mit seinem Vortrag nicht durchgedrungen. Er habe den Vorgesetzten nicht bedroht oder angegriffen, er habe sich lediglich – möglicherweise auch lauter, als er sonst spreche – gegen die Vorwürfe und Beschimpfungen „Nigger/Neger” gewandt.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bremen vom 06.03.2003 den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Bremen zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
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