Entscheidungsstichwort (Thema)

Zutrittsrecht der Gewerkschaften zur Mitgliederwerbung. Beurteilungsspielraum der Gewerkschaft bei der Auswahl geeigneter Mittel. Duldungsklage der Gewerkschaft auf stundenweise Nutzung des Pausenraums im Hotel der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 9 Abs. 3 GG gewährt einer Gewerkschaft die Einschätzungsprärogative, welche Räumlichkeiten des Arbeitgebers für die Mitgliederwerbung am geeignetsten sind.

2. Zur Abwägung der Einzelumstände im Rahmen der praktischen Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte von Gewerkschaft und Arbeitgeber.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 2, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 13, 14 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 25.04.2013; Aktenzeichen 5 Ca 5160/12)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 25.04.2013 - 5 Ca 5160/12 - wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird gegen dieses Urteil nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das betriebliche Zutrittsrecht der Klägerin zum Zweck der Mitgliederwerbung.

Die Beklagte betreibt ein Hotel und beschäftigt etwa 50 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist bei der Beklagten nicht eingerichtet. Auf die bei der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisse findet kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Bremen Anwendung. Die Klägerin ist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und für den Betrieb der Beklagten satzungsgemäß zuständig. Wegen der Einzelheiten der Satzung der Klägerin wird auf Bl. 5 ff d. A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 29.03.2012 (Bl. 22 d. A.) bat die Klägerin die Beklagte, ihrem Gewerkschaftssekretär Zutritt zu dem Pausenraum der Beschäftigten am 16.04.2012 in der Zeit von 10:00 Uhr bis ca. 13:00 Uhr zu Zwecken der Mitgliederwerbung zu gewähren. Die Beklagte verwehrte dem Gewerkschaftssekretär am 16.04.2012 jedoch den Zutritt zum Pausenraum und bot diesem stattdessen einen Seminarraum an. Der Gewerkschaftssekretär lehnte die Nutzung des Seminarraums ab und verlangte Zutritt zu dem Pausenraum. In der Folgezeit bat die Klägerin die Beklagte erneut schriftlich, ihr Zugang zu dem Pausenraum zum Zwecke der Mitgliederwerbung zu gewähren, was die Beklagte jedoch wiederholt ablehnte und zugleich aber die Nutzung eines Seminarraums anbot. Wegen des weiteren Schriftwechsels wird auf Bl. 23 f d. A. verwiesen.

Wegen des Grundrisses, der beide Räume ausweist, wird auf Bl. 38 d. A. Bezug genommen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Pausenraumes wird auf die eingereichten Fotos (Bl. 34 ff d. A.) verwiesen. Der Pausenraum ist 16 m² groß und mit einem Computer ausgestattet, der Zugang zum hoteleigenen Intranet gewährt. In dem Pausenraum befindet sich auch das "Schwarze Brett", auf dem betriebsinterne Anordnungen etc. angebracht werden. Die Personalduschen befinden sich unmittelbar neben dem Pausenraum.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin grundsätzlich in dem beantragten zeitlichen Umfang ein Zutrittsrecht zu Zwecken der Mitgliederwerbung zu gewähren ist; streitig ist lediglich, ob die klagende Gewerkschaft Anspruch auf die Nutzung des Pausenraums hat.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Sie könne grundsätzlich selbst entscheiden, in welchen Räumlichkeiten sie ihre Werbemaßnahmen durchführe. Da die Beklagte keine berechtigten betrieblichen Belange vorgetragen habe, die einer Nutzung des Pausenraums widersprechen könnten, sei der Klägerin ein Zutrittsrecht hierzu zu gewähren. Es komme nicht darauf an, ob der Seminarraum geeignet sei oder nicht, da vielmehr die Beklagte darlegen müsse, inwiefern der Nutzung des Pausenraums betriebliche Belange entgegenständen. Zudem müssten alle Beschäftigte, die den Seminarraum aufsuchen wollen, durch das Foyer gehen. Die Beklagte hätte so die Möglichkeit, zu erkennen, welche Beschäftigte in den Seminarraum gingen und damit auch zum Ausdruck brächten, dass sie Interesse an der Gewerkschaft zeigten.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt der Gewerkschaftssekretäre C. W., S. M., T. Z. und D. N., jeweils einzeln oder zu zweit oder zusätzlich mit einem von der Klägerin benannten gewerkschaftlichen Beauftragten, bei jedem Zutritt jeweils einer allein oder höchstens zwei gemeinsam, zu dem Pausenraum in dem Betrieb der Beklagten zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblättern und durch Führen persönlicher Gespräche, jeweils einmal in jedem Kalenderhalbjahr in den Pausenzeiten nach einer mindestens eine Woche vorher gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erfolgten Ankündigung der Klägerin zu dulden.

2. Der Beklagte wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Duldungspflicht gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 250.000,00 angedroht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Aufgr...

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