Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Bezugnahme auf die Anwendbarkeit des TVöD
Leitsatz (redaktionell)
Haben die Arbeitsvertragsparteien zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber bereits aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten war, die rückwirkende Anwendung des TVöD anstelle des bisher vereinbarten BAT vereinbart, so kann nicht allein daraus, dass der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt noch tarifgebunden, wenn auch bereits aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten war, geschlossen werden, dass es sich um eine Gleichstellungsabrede handeln sollte. Vielmehr folgt aus der sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung ergebenden Zeitdynamik, nämlich der rückwirkenden Anwendbarkeit des TVöD eine dynamische Verweisung. Auch ein Betriebsübernehmer ist daher verpflichtet, Entgelterhöhungen nach dem TVöD an die Arbeitnehmer weiter zu geben.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bremen-Bremerhaven (Entscheidung vom 02.10.2014; Aktenzeichen 10 Ca 10020/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 2. Oktober 2014 - 10 Ca 10020/14 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten für das Berufungsverfahren trägt die Beklagte.
Die Revision wird gegen dieses Urteil zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Entgelterhöhungen.
Die am 11. Februar 1955 geborene und verheiratete Klägerin ist seit dem 1. Juli 1996 zunächst bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der S. GmbH (nachfolgend S. GmbH) als Altenpflegehelferin beschäftigt. Die S. GmbH war Mitglied im K. (nachfolgend K.), der wiederum Mitglied in der V. (nachfolgend V.) war. § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 11. September 1996 (wegen des Inhalts des Arbeitsvertrags wird auf Bl. 16 d. A. verwiesen) lautete wie folgt:
"Das Arbeitsverhältnis ist privatrechtlich. Zwischen den Vertragsparteien gilt der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und die zur Änderung und Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung."
Im Jahr 2002 erwarb die privatwirtschaftliche H. die S. GmbH und führte diese in einem Gemeinschaftsbetrieb mit der B. GmbH (nachfolgend B.) bis zur Insolvenz im Jahr 2010 fort.
Mit Änderungsvertrag vom 1. Oktober 2007 vereinbarten die Klägerin und ihre damalige Arbeitgeberin neben einer Stundenreduzierung auf zwanzig Stunden pro Woche für ein Jahr ua. Folgendes (auf Bl. 17 d. A. wird verwiesen):
"[...]
Seit dem 01.10.2005 kommt der TVöD zur Anwendung, da er den BAT ersetzt hat.
[...]."
Mit Wirkung zum 31. Dezember 2007 trat die Rechtsvorgängerin der Beklagten aus dem K. aus. Vergütungserhöhungen des TVöD wurden an die Klägerin nicht mehr weitergegeben. Die Klägerin führte deswegen einen Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen 10 Ca 10018/10, der aufgrund der Insolvenz der Rechtsvorgängerin der Beklagten nach § 240 ZPO unterbrochen ist. Die Stundenreduzierung der Klägerin wurde jährlich erneut vereinbart, ua. mit Änderungsvertrag vom 1. Oktober 2008 (wegen des Inhalts wird auf Bl. 70 d. A. verwiesen) und vom 1. Oktober 2009 (wegen des Inhalts wird auf Bl. 69 d. A. verwiesen). Dabei verwendeten die Parteien auch in der Folge einen Verweis auf den TVöD mit identischem Wortlaut wie im Änderungsvertrag vom 1. Oktober 2007.
Zum 1. November 2011 fand ein Betriebsübergang auf die Beklagte statt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging nach § 613a BGB auf die Beklagte über.
Ihre Ansprüche auf Teilnahme an den tariflichen Vergütungserhöhungen hatte die Klägerin bereits schriftlich im Jahr 2009 sowie mit der Klage vom 25. Januar 2010 in dem Vorprozess gegen die damalige Arbeitgeberin geltend gemacht. Gegenüber der Beklagten machte die Klägerin ihre Ansprüche mit Schreiben vom 18. November 2013 geltend (wegen des Inhalts des Geltendmachungsschreibens wird auf Bl. 18 f. d. A. verwiesen).
Mit ihrer am 21. Januar 2014 beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangenen Klage begehrt die Klägerin der Höhe nach nicht streitige Ansprüche auf Entgelterhöhungen entsprechend den tariflichen Erhöhungen für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 31. Dezember 2013. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2013 (auf Bl. 20 f. d. A. wird verwiesen) hatte die Beklagte die Ansprüche zurückgewiesen.
Die Klägerin hat unter Berufung auf eine Entscheidung der 2. Kammer des LAG Bremen vom 6. Juni 2012 (- 2 Sa 154/11 -) vorgetragen:
Aufgrund der Formulierung "Seit dem 01.10.2005 kommt der TVöD zur Anwendung, da er den BAT ersetzt hat" sei der TVöD nicht nur statisch, sondern dynamisch auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, so dass ihr die jeweiligen Tariferhöhungen zustünden. Ihre Ansprüche seien nicht verfallen, da die Geltendmachung gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist ausreiche. Ob die Beklagte für Ansprüche hafte, die vor dem Betriebsübergang entstanden seien, sei unerheblich, da mit der vorliegenden Klage nur Ansprüche seit dem Betriebsübergang geltend gemacht würden. Die Entscheidung des EuGH vom 18. Juli 2013...