Entscheidungsstichwort (Thema)

Schlüssiger Vortrag zur Arbeitnehmereigenschaft als Indiz für die Gerichtszuständigkeit. Zuständiges Gericht bei Klagen von Flugpersonal. Vorrang der Heimatbasis für die Gerichtszuständigkeit bei Klagen von Flugpersonal

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage der internationalen Zuständigkeit reicht ein schlüssiger Vortrag der Klägerseite hinsichtlich der Behauptung einer Arbeitnehmerstellung aus. Denn Gründe des materiellen Rechts sollen nicht in die Zuständigkeitsprüfung durchschlagen, da der Beklagte nicht durch bloße Gegenbehauptungen den vom Kläger bezeichneten Gerichtsstand diesem nehmen können soll.

2. Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts bei Klagen von Flugpersonal ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Entscheidung vom 14.9.2017, c-168/16) zu ermitteln, in welchem Mitgliedsstaat der Ort liegt, von dem aus der Arbeitnehmer seine Verkehrsdienste erbringt, an den er danach zurückkehrt, an dem er seine Anweisungen dazu erhält und seine Arbeit organisiert und an dem sich die Arbeitsmittel befinden. Außerdem ist der Ort zu berücksichtigen, an dem die Flugzeuge stationiert sind, in denen die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird.

3. Dabei stellt die "Heimatbasis" einen Aspekt dar, der bei der Ermittlung der relevanten Indizien eine wichtige Rolle spielt. Die "Heimatbasis" verliert nur dann ihre Relevanz für die Bestimmung des Ortes gemäß Art. 21 Nr. 2 a EuGVVO, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles eine engere Verknüpfung mit einem anderen Ort als dem der Heimatbasis festgestellt werden kann. Auf die Staatsangehörigkeit von Flugzeugen i. S. des Art. 17 des Abkommens von Chicago kommt es hingegen nicht an.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 4 Abs. 1 Fassung: 2012-12-12, Art. 21 Nr. 1 Fassung: 2012-12-12, Nr. 2a Fassung: 2012-12-12, Art. 24 Fassung: 2012-12-12

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Entscheidung vom 04.12.2017; Aktenzeichen 1 Ca 1267/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 2. und 3. gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 04.12.2017 - 1 Ca 1267/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagten zu 2. und 3. haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die internationale Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit in Bremen. Hintergrund ist ein Streit der Parteien über die Frage, ob die Klägerin bei den Beklagten als Arbeitnehmerin tätig war oder ob sie als Selbstständige anzusehen ist, ob ein mögliches Arbeitsverhältnis rechtswirksam beendet wurde, ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht, eine Versetzung wirksam ist, Ansprüche auf Urlaubsentgelt für 2014 entstanden sind sowie ein Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

Die Klägerin, die 1977 geboren und verheiratet ist sowie zwei Kindern unterhaltsverpflichtet, ist Pilotin. Sie ist Gesellschafterin einer Firma W. Ltd. mit Sitz in Dublin/Irland. Neben der Klägerin sind zumindest noch zwei weitere Personen ebenfalls Gesellschafter der vorgenannten Firma. Am 14.12.2012 schlossen die Beklagte zu 1., die B. A. I. Ltd., mit Sitz in Großbritannien und die W. Ltd. einen Vertrag, durch den Pilotendienstleistungen zur Verfügung gestellt wurden. Darin wurde eine Gerichtsstandsvereinbarung mit englischem Recht getroffen. Die B. A. I. Ltd. - im Folgenden B. Ltd.- besitzt keine eigenen Flugzeuge. Der schriftliche Vertrag trug die Nr. 9536.

Die B. Ltd. hat ihrerseits zumindest mit der Beklagten zu 2., der R. DAC, oder deren Rechtsvorgängerin (Ltd.) vertragliche Beziehungen über Pilotendienstleistungen gehabt und bediente sich dazu der W. Ltd. Die Beklagte zu 3., die R. Plc., ist eine Holdinggesellschaft, deren Tochtergesellschaft die R. DAC ist. Sowohl die R. DAC, die Ltd. als auch die R. Plc. hatten bzw. haben ihren Sitz in Dublin/Irland.

Die R. DAC führt internationale Flüge unter einer irischen Fluglizenz durch. Im Flugbetrieb werden dabei nicht ausschließlich bei der R. DAC angestellte Mitarbeiter eingesetzt. Ein Teil der anfallenden Arbeiten wird über Anbieter von externen Dienstleistungen abgedeckt, wie z. B. von der B. Ltd..

Von Januar 2013 bis Juni 2014 hatte die Klägerin keinerlei Flüge für die R. DAC, die Ltd. oder die R. Plc. durchgeführt. Danach war sie wieder als Pilotin tätig. Ihre Bezüge erhielt die Klägerin von der W. Ltd bzw. der B. Ltd. (Anlage K 26, Bl. 580 d. A.). Bei witterungsbedingtem Flugausfall, Streik oder bei Erkrankung erhielt die Klägerin keine Vergütung. Die R. DAC entrichtete ihrerseits an die B. Ltd. die vereinbarte Vergütung für Flugstunden sowie für Verwaltungsaufwand.

Über ihre Einsatzzeiten und Flugstrecken wurde die Klägerin von der R. DAC, der Ltd. oder der R. Plc. ca. 4 Wochen im Voraus online informiert. Sie erhielt dafür auch ein Dienst-Tablet, über das sie die Informationen empfangen konnte. Alternativ bestand für Crew-Mitglieder die Möglichkeit, Anweisungen und Safety-Memos im Crew-Raum über die dortigen Computer zu empfangen. Bestimmte Flugunterlagen konnte sie nur über die dortigen Com...

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