Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtlicher Abbruch der Wahl des Gesamtbetriebsrats auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Der gerichtliche Abbruch einer Betriebsratswahl aufgrund von Mängeln des Wahlverfahrens kommt nur in Betracht, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig wäre. Dies gilt auch dann, wenn der Betrieb abweichend auf der Grundlage von § 3 BetrVG bestimmt wird und eine gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) und Abs. 2 BetrVG abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung zur Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats besteht. Nur im Falle der Nichtigkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung (hier verneint) kommt ein Abbruch der unternehmenseinheitlichen Betriebsratswahl in Betracht.
2. Keine Nichtigkeit der Bestellung eines Wahlvorstandes durch den Gesamtbetriebsrat im Falle der ersten Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) und Abs. 2 BetrVG.
3. Der Umstand, dass trotz Bestehens einer Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) und Abs. 2 BetrVG, die nicht nichtig ist, örtliche Betriebsräte bereits einen Betriebsrat gewählt haben, führt nicht zum Abbruch der Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Das Prioritätsprinzip gilt nicht. Die Wahl auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen Regelung gemäß § 3 BetrVG, die - wie vorliegend - ggfs. und nur anfechtbar ist, führt dazu, dass der übergreifend gebildete und gewählte Betriebsrat zunächst im Amt ist und die Amtszeit der zuvor gebildeten örtlichen Betriebsräte endet.
Normenkette
BetrVG § 3 Abs. 1-2, § 19 Abs. 1, § 50 Abs. 2; ArbGG § 83 Abs. 3, § 85 Abs. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, §§ 935, 940; BetrVG § 3 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.03.2018; Aktenzeichen 7 BVGa 5/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.03.2018 - 7 BVGa 5/18 abgeändert und der Antrag des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob der Beteiligte zu 10), der vom Gesamtbetriebsrat bestellte Wahlvorstand (im Folgenden Wahlvorstand Gesamt) die unternehmenseinheitliche Betriebsratswahl bei der Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) abbrechen muss.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des U.-Konzerns (vormals E-Q. Gruppe) und beschäftigt bundesweit ca. 1.800 Mitarbeiter, wobei sie im gesamten Bundesgebiet ca. 300 Shops unterhält. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden.
Mit einer undatierten Gesamtbetriebsvereinbarung "Struktur regionale Betriebsräte" (im Folgenden GBV Regional) vereinbarten die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, die E-Q. S. GmbH und der bei dieser gebildete Gesamtbetriebsrat u.a. Folgendes:
"Präambel
Das Unternehmen ist mit seinen Mitarbeitern bundesweit durch eine Vielzahl von Shops vertreten.
Die Beteiligten wollen zum Zwecke einer sachgerechten Vertretung der Mitarbeiter der Unternehmung eine dieser dienlichen Betriebsratsstruktur schaffen.
Zu diesem Zwecke werden Betriebe in bestimmten Bereichen zusammengefasst und von den Beteiligten jeweils als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gem. § 3 BetrVG als Wahl- und Vertretungsbetriebe anerkannt.
Dieses vorausgeschickt vereinbaren die Beteiligten wie folgt: Die Betriebspartner wollen die vorhandene Struktur im Wesentlichen weiterhin fortführen und schließen daher zur Absicherung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 BetrVG folgende Vereinbarung:
§ 1
1. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung gilt für alle bestehenden und zukünftigen Betriebe, Nebenbetriebe und Betriebsteile der E-Q. S. GmbH auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
2. Die E-Q. S. GmbH fasst Betriebsstätten regional zusammen und unterstellt sie in den mitbestimmungspflichtigen personellen und sozialen Angelegenheiten einer jeweils örtlich zuständigen Leitung. In diesen regional zusammengefassten Einheiten werden Betriebsräte gewählt. Diese Regelung gilt entsprechend für die Schwerbehindertenvertretung und die Jugend- und Auszubildendenvertretung.
3.In den vorgenannten und nachstehend unter Punkt 4 geregelten Regionen sind alle nicht betriebsratsfähigen Einheiten in den mitbestimmungspflichtigen personellen und sozialen Angelegenheiten ebenfalls der für die Region zuständigen Leitung unterstellt. Diese Regelung gilt entsprechend für die Schwerbehindertenvertretung und die Jungend- und Auszubildendenvertretung.
4. Die genaue regionale Struktur und Zuordnung der Betriebe, Nebenbetriebe und Betriebsteile ergibt sich aus der beiliegenden Landkarte (Anlage), die Bestandteil dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ist.
5. Diese betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.
§ 2
1. Es werden folgende regionale Betriebsräte gebildet:
1.1 Ein Betriebsrat für die Betriebsstätten in der Region Nord (siehe Anlage).
1.2 Ein Betriebsrat für die Betriebsstätten in der Region West (siehe...