Entscheidungsstichwort (Thema)

Befugnis des Beschweerdegerichts zur Abänderung der Streitwertfestsetzung von amts wegen. Streitwert einer Feststellungsklage auf wiederkehrende Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Beschwerdegericht kann auch bei unzulässigem, aber grundsätzlich statthaftem Rechtsmittel gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz von Amts wegen abändern (ebenso OLG Celle, 16.07.2009 - 2 W 188/09; Hamburgisches OVG 04.04.2014 - 2 So 14/14; a. A. OLG München 21.07.1997 - 15 W 738/97).

2. Zum Abschlag für eine Feststellungsklage auf wiederkehrende Leistungen.

 

Normenkette

GKG § 32 Abs. 3, § 42 Abs. 3, § 63 Abs. 3, § 68 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 15.03.2017; Aktenzeichen 6 Ca 290/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts durch Beschluss vom 15.03.2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Streitwertfestsetzung gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts vom 15.03.2017 wird von Amts wegen auf 4.888,51 € geändert.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

I.

Mit seiner am 22.03.2017 beim Arbeitsgericht eingegangen Beschwerde wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts durch Beschluss vom 15.03.2017. Darin hat das Arbeitsgericht den Streitwert für die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte zur Zahlung einer (monatlichen) Zulage in Höhe von 169,74 € verpflichtet sei, mit dem 36-fachen Monatsbetrag sowie einem Abschlag von 40 % für die Feststellungsklage (anstelle der Leistungsklage) bewertet (3.666,38 €). Der Beschwerdeführer erstrebt eine Festsetzung, bei der der sogenannte Feststellungsabschlag lediglich 20 % beträgt (4.888,51 €). Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie der Beschwerdekammer zu Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, da der gemäß § 32 RVG iVm. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderliche Beschwerdewert von 200,00 € nicht erreicht wird (Gebührensprung von 51,00 € gemäß Anl. 2 GKG bei 2,5 Gebühren zzgl. Mehrwertsteuer = 151,73 €).

III.

Die Festsetzung des Arbeitsgerichts war jedoch gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern.

1.Nach dieser Vorschrift kann die Festsetzung von Amts wegen von dem Rechtsmittelgericht geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Die Änderung ist gemäß Satz 2 der Vorschrift nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

Die letztgenannte Frist ist gewahrt. Auch schwebt in der Rechtsmittelinstanz ein Verfahren wegen der Entscheidung über den Streitwert, nämlich das vorliegende. Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (OLG München, 27.01.1997 - 15 W 738/97; OLGR München 1997, 119) kommt es für diese Abänderungsbefugnis nicht darauf an, dass eines der vorgenannten Verfahren "in zulässiger Weise" in die Rechtsmittelinstanz gelangt ist. In der Rechtsmittelinstanz "schwebt" ein Verfahren auch bei Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Würde § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG nur zulässige Rechtsmittel erfassen, wäre die Erwähnung der Abänderungsbefugnis im Falle von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen über den Streitwert, die in diesem Fall ohnehin zu einer Entscheidung über den Streitwert führen, unverständlich. Mit der herrschenden Meinung ist die Regelung daher dahin zu verstehen, dass sie auch außerhalb einer Sachkompetenz im Rahmen eines einschlägigen Rechtsmittels eine Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts im Sinne einer Ermächtigung begründet, nach Ermessen den von der Vorinstanz festgesetzten Streitwert zu ändern. Dies dient über die Zwecke eines Rechtsmittelverfahrens hinausgehend öffentlichen Interessen. Das Rechtsmittelgericht wird ermächtigt, darüber zu wachen, dass die staatlichen Gerichtsgebühren in der nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes maßgeblichen, d.h. einer dem jeweiligen Streitgegenstand angemessenen Höhe erhoben werden und ggf. korrigierend einzugreifen (OLG Celle 16.07.2009 - 2 W 188/09, JurBüro 2010, 88; Hamburgisches OVG 04.04.2014 - 2 So 14/14, [...], beide mwN).

Ob das öffentliche Interesse entfällt, wenn der Gesetzgeber durch einen Rechtsmittelausschluss für bestimmte Arten von Verfahren zum Ausdruck gebracht hat, dass in diesen Verfahren eine Überprüfung der Streitwerte nicht in Betracht kommen soll (so OVG Greifswald 09.02.1994 - 3 O 50/93, MDR 1995, 425), kann dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall ist die Streitwertbeschwerde grundsätzlich statthaft gemäß § 32 RVG, 68 Abs. 1 GKG.

Allerdings räumt § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG dem Rechtsmittelführer kein Recht ein, dem Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Änderung des Streitwerts von Amts wegen abzuverlangen. Eine (nähere) Prüfung von Amts wegen wird regelmäßig in all jenen Fällen nicht ver...

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