Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung des Streitwerts eines gerichtlichen Vergleichs. Bindung des Gerichts an die Wertung der Parteien
Leitsatz (amtlich)
1. Ob Streit oder Ungewissheit über ein anderweitiges Rechtsverhältnis iSv. Nr. 1000 VV-RVG bestand, über das ein gerichtlicher Vergleich eine Regelung getroffen hat, kann von den Parteien des Vergleichs nicht mit bindender Wirkung für die Streitwertfestsetzung "vereinbart" werden. Dies ist vielmehr für die Streitwertfestsetzung jeweils nach objektiven Maßstäben festzustellen.
2. Die Gewährung einer Outplacement-Beratung in einem gerichtlichen Vergleich zur Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits führt nur dann zu einem Mehrwert des Vergleichs, wenn über einen Rechtsanspruch gerade in Bezug auf die Outplacement-Beratung Streit oder Ungewissheit bestand. Auch in diesem Fall führt die Regelung allerdings nicht zu einem Mehrwert, wenn der Arbeitnehmer anstelle der Outplacement-Beratung den dafür vorgesehenen Betrag beanspruchen kann; in diesem Fall handelt es sich der Sache nach um eine Erhöhung der Abfindung iSv. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG.
3. Zur Frage, unter welchen Umständen eine - auch verschlechternde - Änderung der Streitwertfestsetzung von Amts wegen gem. § 63 Abs. 3 GKG auch noch nach Ablauf von sechs Monaten erfolgen kann.
Normenkette
GKG § 63 Abs. 3; RVG § 32; RVG-VV Nr. 1000; ZPO §§ 415-416; GKG § 68
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 04.10.2017; Aktenzeichen 7 Ca 1689/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 04.10.2017 teilweise abgeändert:
Der Gegenstandswert des gerichtlichen Vergleichs vom 30.08.2017 wird auf 37.222,28 € festgesetzt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich - insoweit vertreten durch Rechtsanwalt T. - mit seiner Streitwertbeschwerde vom 26.10.2017 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 04.10.2017. Darin hatte das Arbeitsgericht den Wert für das Kündigungsschutzverfahren im Allgemeinen mit drei Bruttomonatsgehältern à 8.134,24 € = 24.402,72 € festgesetzt und den Wert des gerichtlichen Vergleichs vom 30.08.2017, der das Verfahren erledigte, mit 95.404,40 € (Mehrvergleich: 71.001,68 €). Die Beschwerde erstrebt eine Herabsetzung des Vergleichswerts auf 40.671,20 € (Mehrvergleich: 16.268,48 €). Der Hauptbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt U., ist der Beschwerde mit Schriftsatz vom 17.11.2017 entgegengetreten. Mit Beschluss vom 06.12.2017 hat das Arbeitsgericht Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schreiben vom 19.12.2017 hat das Beschwerdegericht darauf hingewiesen, dass nach seiner vorläufigen Einschätzung der Vergleichsmehrwert nur 12.819,56 € betrage und dies im Einzelnen begründet.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Darüber hinaus war der Vergleichswert gem. § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen weiter herabzusetzen auf 37.222,28 €.
1.Die Beschwerde des Klägers ist zulässig.
a)Die Beschwerde richtet sich nach § 32 RVG i.V.m. § 68 GKG. Das besondere Streitwertfestsetzungsverfahren des § 33 RVG steht ausschließlich dann zur Verfügung, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder es an einem derartigen Wert fehlt. Vom Fehlen eines für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts im Sinne dieser Bestimmungen kann nur ausgegangen werden, wo die Verfahrensnormen keine Gebührenerhebung vorsehen. Das ist hier nicht der Fall. In dem Kündigungsrechtsstreit wurden - anders als im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren i.S. der §§ 80 ffArbGG gem. § 2 Abs. 2 GKG - grundsätzlich Gerichtsgebühren ausgelöst. Ob und inwieweit diese infolge des später geschlossenen Prozessvergleichs nicht erhoben werden, ist streitwertrechtlich nicht relevant (so die stdRspr. Beschwerdekammer, etwa Beschluss v. 22.08.2005 - 17 Ta 477/05; 05.12.2006 - 6 Ta 883/06; ebenso LAG Hamm 28.04.2006 - 6 Ta 95/06; LAG Baden-Württemberg 14.07.2011 - 5 Ta 101/11; Creutzfeld NZA 1996, 956, 961; a.A. etwa Hessisches LAG 21.01.1999 - 15/6 Ta 630/98; 25.02.2011 - 1 Ta 483/10; LAG Sachsen-Anhalt 15.03.2004 - 11 Ta 35/04; LAG Hamburg 09.11.2015 - 6 Ta 22/15; LAG Rheinland-Pfalz 04.06.2012 - 1 Ta 104/12; LAG Schleswig-Holstein 15.12.2011 - 6 Ta 198/11; Schwab/Maatje NZA 2011, 769, 771). An dieser Rechtsprechung hält die erkennende Beschwerdekammer fest. Neue Gesichtspunkte sind im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden.
b)Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens ist nicht deshalb entfallen, weil sein Hauptbevollmächtigter, Rechtsanwalt U., dem Rechtsschutzversicherer des Klägers unter dem 29.12.2017 eine im Sinne der Beschwerde geänderte Kostenrechnung "ohne Präjudiz" (Schriftsatz von Rechtsanwalt U. v. 18.01.2018, Seite 2, Bl. 146 GA) zugeleitet hat. Die schlichte Vorlage einer abgeänderten Rechnung, noch dazu der Hinweis darauf, dass dies "ohne Präjudiz" erfolg...