Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertung vertraglich unechter Gesamtvertretung des Geschäftsführers als gesellschaftsrechtlich unzulässige Beschränkung der Vertretungsmacht. Abgrenzung des Fremdgeschäftsführers als Organ der Gesellschaft von bloßem Arbeitnehmerstatus. Abgrenzung von Dienst- und Arbeitsvertrag bei atypischem Geschäftsführerdienstvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in einem Geschäftsführerdienstvertrag zu einer unechten Gesamtvertretung dahingehend, dass der alleinige Geschäftsführer einer GmbH lediglich gesamtvertretungsberechtigt zusammen mit einem Prokuristen ist, stellt gesellschaftsrechtlich eine unzulässige Beschränkung der organschaftlichen Vertretungsmacht dar.
2. Wenngleich damit zugleich eine atypische Regelung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages vorliegt, macht dies den Fremdgeschäftsführer nicht per se zum Arbeitnehmer. Es handelt sich lediglich um einen Aspekt der vorzunehmenden Gesamtwürdigung bei der Abgrenzung von dienstvertraglicher Anstellung und Arbeitsverhältnis. Dabei bleiben die Anforderungen unverändert hoch: Nur bei Feststellung auch im Übrigen atypischer Regelungen und/oder einer Vertragspraxis dahingehend, dass eine arbeitnehmertypische Weisungsbindung und damit als extremer Ausnahmefall eine Geschäftsführeranstellung im Arbeitnehmerstatus vorliegt, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.
Normenkette
ArbGG §§ 2, 5; GVG § 17a; BGB § 611a; GmbHG §§ 35, 37; HGB § 15; BUrlG § 2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.09.2021; Aktenzeichen 12 Ca 8032/20) |
Tenor
I.
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 06.01.2022 gegen den Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.09.2021 - Az.: 12 Ca 8032/20 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses durch die außerordentliche, fristlose Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 23.11.2020 und dessen Fortbestand bis 30.04.2021 sowie über einen Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers als Geschäftsführer und in diesem Zusammenhang vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten.
Der Kläger, der auch Geschäftsführer der ehemaligen Mitgesellschafterin der Beklagten, der u. GmbH ist, war bei der Beklagten auf der Grundlage des schriftlichen "Geschäftsführerdienstvertrages" vom 31.10.2019 mit Wirkung ab 01.11.2019 als Geschäftsführer zu einer Jahresbruttovergütung in Höhe von 90.000,00 € beschäftigt. Wörtlich enthielt der "Geschäftsführerdienstvertrag", wegen dessen weiteren Inhalts auf Blatt 110 ff. der Akte Bezug genommen wird, unter anderem folgende Regelungen:
"Präambel
Mit Wirkung zum 01.11.2019 soll Herr C. O. zum alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt werden. Die Parteien schließen hierzu den nachfolgenden Geschäftsführerdienstvertrag:
§ 1
Allgemeine Rechte und Pflichten
1. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Der Geschäftsführer ist gesamtvertretungsberechtigt gemeinsam mit einem Prokuristen. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist der Geschäftsführer nicht befreit.
2. Einschränkungen in der Geschäftsführung durch Gesetz, Satzung und Geschäftsordnung oder durch diesen Vertrag sowie Weisungen durch die Gesellschafterversammlung sind vom Geschäftsführer zu beachten. Ebenfalls sind Gesellschafterbeschlüsse zu befolgen, soweit Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht entgegenstehen.
3. Der Geschäftsführer hat in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes aufzubringen, unter Wahrung der Interessen der Gesellschaft.
4. [...]
5. Der Geschäftsführer nimmt die Pflichten und Rechte des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
6. Der Geschäftsführer hat seine ganze Arbeitskraft, seine Erfahrungen und Kenntnisse der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Er hat der Gesellschaft mindestens während der allgemein geltenden Arbeitszeit für leitende kaufmännische Angestellte zur Verfügung zu stehen. Er ist gehalten, jederzeit, wenn und soweit das Wohl der Gesellschaft das erfordert, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen.
7. [...]
8. Dienstort ist E. oder der jeweilige Sitz der Gesellschaft.
[...]"
Der Kläger wurde vertragsgemäß zum Geschäftsführer bestellt. Laut Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Düsseldorf zu HRB 84984 (Blatt 145 f. der Akte) war er seit 29.01.2020 als alleiniger Geschäftsführer der Beklagten eingetragen und neben ihm Herr X. und Herr T. als Einzelprokuristen. Weiter ist dort eingetragen die folgende allgemeine Vertretungsregelung: "Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertret...