Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsverfassungsrecht. Akten des Betriebsrats. Verbot der Einsichtnahme durch den Arbeitgeber. Verwertungsverbot
Leitsatz (redaktionell)
1. In die Akten des Betriebsrats, zu denen auch elektronische Dateien gehören, darf der Arbeitgeber keine Einsicht nehmen.
2. Tut er es gleichwohl, darf er die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht verwerten.
Normenkette
BetrVG § 2 Abs. 1, § 34 Abs. 3, § 40
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Entscheidung vom 15.09.2011; Aktenzeichen 5 BV 14/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 15.09.2011 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zulassen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten sind mehrere Verfahren vor der erkennenden Kammer anhängig:
Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob die Antragstellerin eine Dartei, die sich im Betriebsratslaufwerk des EDV-Systems der Antragstellerin befindet und in die sie bereits Einsicht genommen hat, auch verwerten darf, in einem weiteren Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob ein Einsichtsrecht des Betriebsrats im Protokolldateien für Zugriffe auf das Betriebsratslaufwerk im EDV-System des Arbeitgebers besteht und schließlich streiten die Beteiligten darüber, ob der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen kann, es zu unterlassen, in seine elektronischen Dateien Einblick zu nehmen.
Des Weiteren ist vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf bei einer anderen Kammer ein Zustimmungsersetzungsverfahren über die Frage anhängig, ob die verweigerte Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zu ersetzen ist.
Auf dem Betriebsratslaufwerk befindet sich unter dem Dateipfad "I.Daten.BRDL.Everyone.Betriebsrat-Gerichtsverfahren Stellenabbau SCM-DGB-Rechtsschutz - Stellungnahme 08.02.2011.doc" eine nicht unterschriebene aber mit dem Briefkopf des Betriebsrats versehene 7-seitige Stellungnahme zu den Schriftsätzen der Antragstellerin vom 7. und 21.01.2011 in den Kündigungsschutzverfahren der Mitarbeiter L., E. und I.. Wegen des Inhalts wird auf die Stellungnahme (Bl. 25ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Mitarbeiter L., E. und I. hatten die Stellungnahme zu den Gerichtsakten gereicht. Das Landesarbeitsgericht hat in zwei Fällen die Kündigungsschutzklagen abgewiesen. In einem Fall schlossen die Parteien einen Vergleich.
Die Antragstellerin verdächtigt das Betriebsratsmitglied F., diese umfangreiche Stellungnahme während der Arbeitszeit verfasst und damit einen Arbeitszeitbetrug begangen zu haben, da er sich als nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied für die fragliche Zeit nicht ausgestempelt habe.
Sie trägt hierzu vor, der Verdacht richte sich deshalb gegen Herrn F., weil dieser sich intensiv mit den Kündigungsschutzprozessen über das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG hinaus beschäftigt habe. Er sei bei allen Gerichtsterminen als Zuschauer anwesend gewesen und habe die Mitarbeiter in jeder Lage des Verfahrens neben der offiziellen Prozessvertreterin, Frau U., sowohl während der Verhandlungspausen als auch in weiteren außergerichtlichen Besprechungen eingehend beraten. Zudem sei es Herr F. gewesen, der den Mitarbeitern geraten habe, die Stellungnahme zu den Gerichtsakten zu reichen, da ihm die bisherigen Ausführungen und die Prozessführung von Frau U. nicht ausgereicht hätten. Herr F. sei gegenüber den Mitarbeitern stets in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied aufgetreten und habe ihnen stets die volle Unterstützung des Betriebsrats zugesagt.
Da die Urheberschaft des Herrn F. sowie die Erstellung der Datei während der Arbeitszeit nur aus den weiteren Umfeldtatsachen gefolgert werden könne, sei versucht worden, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Doch auch nach mehrfacher schriftlicher Aufforderung an den Betriebsrat und Herrn F., zu der Angelegenheit Stellung zu beziehen, hätten beide jede Stellungnahme verweigert, was die bestehenden Verdachtsmomente gegen die Person F. nur weiter verstärkt habe. Insofern sei die Antragstellerin gezwungen, die Protokollhistorie der Datei auf dem Betriebsratslaufwerk auszuwerten. Die Auswertung und Verwertung der Dateihistorie sei die einzige verbleibende Möglichkeit, die Autorenschaft von Herrn F. zu belegen.
Entgegen der seitens des Antragsgegners vertretenen Rechtsauffassung existiere für ihn kein rechtsfreier Raum, in dem seine Mitglieder Straftaten gegenüber ihrer Arbeitgeberin begehen dürften. Der Antragsgegner versuche von Herrn F. abzulenken und sich schützend vor diesen zu stellen, indem er zu Unrecht behaupte, dass die Handlungen von Herrn F. solche des Betriebsrates gewesen seien. Die Einsichtnahme sei nicht aufgrund einer kollektiven Kompetenzüberschreitung des Betriebsratsgremiums erforderlich, sondern allein aufgrund einer wiederholten Pflichtwidrigkeit von Herrn F..
Demgegenüber hat der Antragsgegner die Auffassung vertreten, dass es sich bei den hier streitigen Dateien um Unterlagen des Betriebsrates handle, in die dem Arbeitgeber kein Einsichtsrecht zustehe, erst Re...