Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren. Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr
Leitsatz (amtlich)
Auf die Verfahrensgebühr ist auch im Rahmen der Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr anzurechnen. Die Höhe der anzurechnenden Geschäftsgebühr ist unter Anwendung der Tabelle des § 49 RVG zu berechnen.
Normenkette
RVG § 55; RVG Anl. 1 Vorbem. 3 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 22.01.2008; Aktenzeichen 15 Ca 5763/06) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Landeskasse vom 31.01.2008 und die Beschwerde des Antragstellers vom 20.03.2008 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.01.2008 werden zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
A.
Der Antragsteller ist im Ausgangsrechtsstreit der Klägerin im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Bevor er seitens der Klägerin den Klageauftrag erhielt, hatte er sich für diese in derselben Angelegenheit außergerichtlich an die spätere Beklagte gewandt. Das Arbeitsgericht hat im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG im angefochtenen Beschluss eine nach den Sätzen des § 49 RVG berechnete Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die seitens des Antragstellers geltend gemachte Verfahrensgebühr angerechnet. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Landeskasse die Anrechnung in Höhe einer nach § 13 RVG berechneten Geschäftsgebühr, was im Ergebnis zum vollständigen Wegfall der nach § 49 RVG berechneten Verfahrensgebühr führen würde, während der Antragsteller mit seiner Beschwerde eine ungekürzte Verfahrensgebühr verlangt.
Entscheidungsgründe
B.
1.
Die Beschwerden sind zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG ist jeweils erreicht. Die Beschwerden sind auch form- und fristgerecht eingelegt worden.
2.
In der Sache haben sie jedoch keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass auf die Verfahrensgebühr die Geschäftsgebühr (lediglich) in Höhe von 176,80 EUR anzurechnen ist.
a)
Die erkennende Beschwerdekammer hat bereits mit dem den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Beschluss vom 2. November 2007 (– 13 Ta 181/07 – juris) entschieden, dass die Anrechnungsregelung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG auch im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG zu beachten ist. An dieser Rechtsprechung hält die Beschwerdekammer fest, zumal der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22. Januar 2008 (– VIII ZB 57/07 – AGS 2008, 158) die in Teilen vor allem der ordentlichen Gerichtsbarkeit geäußerten grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zurückgewiesen hat. Dass für die Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG im Grundsatz nichts anderes gilt, hat die erkennende Kammer im erwähnten Beschluss vom 2. November 2007 begründet. Auf diese Ausführungen wird verwiesen. Die gegenteilige Ansicht hätte jedenfalls bei Werten bis 3.000,– EUR eine ungerechtfertigte Bevorzugung des PKH-Anwalts zur Folge. Soweit das Amtsgericht Bad Iburg (8. Januar 2008 – 5 F 300/07 UE – AnwBl. 2008, 213) meint, eine Anrechnung stünde im Widerspruch zur Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, übersieht es, dass sich diese Sperrwirkung nur auf die Gebührenansprüche des Rechtsanwalts bezieht, für die Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, also nicht auf die anzurechnende Geschäftsgebühr. Sein weiteres Argument einer Ungleichbehandlung gegenüber einem ebenfalls auf PKH-Basis arbeitenden Rechtsanwalt des Prozessgegners, der vorgerichtlich nicht tätig war, vernachlässigt den Grund der Anrechnung. Bei Letztgenanntem ist deshalb nichts anzurechnen, weil dieser seine von der Verfahrensgebühr erfassten Tätigkeiten nicht bereits (teilweise) inhaltsgleich vorgerichtlich erbracht und insofern eine Geschäftsgebühr verdient hat. Die von Hansen (RGVreport 2008, 143) gegen die Rechtsprechung der erkennenden Kammer geäußerten Bedenken beruhen letztlich darauf, dass dieser entgegen dem Gesetzeswortlaut die Anrechnung grundsätzlich in Frage stellt. Wie der Bundesgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, können bloße Praktikabilitäts- und vermeintliche Gerechtigkeitsüberlegungen eine Abweichung vom ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers jedoch nicht rechtfertigen. Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, er habe gegenüber der Klägerin nicht die entstandene volle Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt, sondern ihr gegenüber nur „den nicht anrechenbaren Teil” abgerechnet, verkennt er, dass die Anrechnungsregelung nur darauf abstellt, ob ein Anspruch auf eine Geschäftsgebühr entstanden ist, nicht jedoch darauf, ob dieser in Rechnung gestellt wurde oder gar durch Zahlung ausgeglichen ist. Wie das Arbeitsgericht im Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt hat, hat der Antragsteller auch nicht etwa vorgetragen, dass lediglich eine 0,65-Geschäftsgebühr entstanden sei. Dass zudem durch die vorgerichtliche Tätigkeit des Antragstellers für die Klägerin eine Geschäftsgebühr...