Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Sicherung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats hinsichtlich der Anordnung von Desk Sharing im Wege einstweiliger Verfügung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Anordnung von Desk Sharing wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG setzt voraus, dass eine konkrete Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der betroffenen Mitarbeiter dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Richtet sich der geltend gemachte Verfügungsanspruch gegen die Zuweisung von Computertastaturen und Computermäusen zur gemeinsamen Nutzung, muss glaubhaft gemacht werden, dass die bereits bestehenden Hygienemaßnahmen zur Vermeidung konkreter Gesundheitsgefährdungen nicht ausreichen.
2. Die einstweilige Unterlassungsverfügung setzt im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sowohl als Leistungsverfügung wie auch als Sicherungsverfügung bei der Prüfung des Verfügungsgrundes stets eine umfassende Interessenabwägung voraus, bei der das Gewicht des drohenden Verstoßes gegen Mitbestimmungsrechte und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme für die Arbeitgeberin einerseits und für die Belegschaft andererseits zu berücksichtigen sind. Dabei stehen das Ergebnis der summarischen Prüfung des Verfügungsanspruchs und die Beeinträchtigungen von Arbeitgeberin oder Belegschaft durch den Erlass oder Nichterlass der beantragten Unterlassungsverfügung in einem Wechselverhältnis zueinander: Bei klar gegebenem mitbestimmungswidrigen Verhalten der Arbeitgeberin werden regelmäßig bereits geringfügige Beeinträchtigungen der Mitarbeiter für die Annahme eines Verfügungsgrundes ausreichen. Bei weitgehend ungeklärter Sach- und Rechtslage hingegen sind die Anforderungen an den Verfügungsgrund erhöht. Bei einer in höherem Maße zweifelhaften Rechtslage kann regelmäßig keine einstweilige Verfügung ergehen.
3. Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Anordnung von Desk Sharing wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht, denn es spricht einiges dafür, dass die Grundsatzentscheidung einer nicht mehr individuellen Zuordnung der Arbeitsplätze und die Anordnung, sich in der Teamzone einen freien Arbeitsplatz zu suchen oder bei vollständiger Belegung durch den Vorgesetzten zuweisen zu lassen, in untrennbarem Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung steht und Voraussetzung für deren ordnungsgemäße Erbringung ist, so dass sie nicht dem mitbestimmten Ordnungsverhalten zuzuordnen ist;soweit darüber hinaus Fragen der Personalisierung des Arbeitsplatzes und diesbezüglicher Verhaltensanordnungen sowie im Zusammenhang mit der Behandlung der überlassenen Arbeitsmittel und dem Aufräumen des Arbeitsplatzes betroffen sind, sind diese bislang höchstrichterlich ungeklärt und werden im Schrifttum - soweit hierzu überhaupt Stellungnahmen vorliegen - kontrovers diskutiert, so dass eine in höherem Maße zweifelhafte Rechtslage vorliegt.
4. Verstößt die Arbeitgeberin eindeutig und offensichtlich gegen die sich aus einer Betriebsvereinbarung ergebende Verpflichtung zum Bereitstellen eines Buchungsterminals zur Arbeitszeiterfassung, kann der Betriebsrat seinen diesbezüglichen Anspruch auf Durchführung der Betriebsvereinbarung mittels einstweiliger Verfügung vorläufig sichern lassen. Einer konzernseitigen Entscheidung, abweichend von der geltenden Betriebsvereinbarung Arbeitszeitbuchungen künftig nur noch über die Eingabe am PC laufen lassen zu wollen, kommt insoweit keinerlei rechtliche Relevanz zu.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 7; ArbGG § 85; ZPO §§ 935, 938, 940; BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.10.2017; Aktenzeichen 7 BVGa 17/17) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.10.2017 - Az.: 7 BVGa 17/17 - teilweise abgeändert und der Beteiligten zu 2.) im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, ab sofort bis zu einer rechtskräftigten Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren 7 BV 137/17 (Arbeitsgericht Düsseldorf) bzw. 3 TaBV 77/17 (LAG Düsseldorf) ein Buchungsterminal im Gebäude "Am T. 3" in E. bereitzustellen, an dem die Mitarbeiter des Innendienstes des Field Service West den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit buchen können.
II.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller macht im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens die Unterlassung der Anordnung des sogenannten "desk sharing" im Arbeitsbereich Field Service West im Bürokomplex "Am T. 3" in E. und die Bereitstellung eines Buchungsterminals am Eingang des Gebäudes geltend.
Bei der Beteiligten zu 2.) handelt es sich um eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der U. Deutschland GmbH, die ihrerseits eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Deutsche U. AG ist. Sie ist zuständig für Kundendienst- und Serviceleistungen für Kunden des Konzerns.
Der Antragsteller ist der für den Betrieb Field Servi...