Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Altersgrenze für Fluglotsen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die für Fluglotsen in der Deutschen Flugsicherung tariflich bestimmte Altersgrenze von 55 Jahren ist unwirksam.

2. Im Antragsverfahren nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat das Arbeitsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob offensichtlich die Personalmaßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war und dies ggf. festzustellen. § 100 Abs. 3 Satz 1 BetrVG begründet kein „Gegenantragsrecht” des Betriebsrats.

3. Die Androhung von Zwangsgeld nach § 101 Satz 2 BetrVG erfolgt nicht im Erkenntnisverfahren durch die Kammer, sondern gemäß § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG im Vollstreckungsverfahren durch den Vorsitzenden.

Hinweis der Kammer:

Zur Altersgrenze für Piloten: BAG 17.06.2009 – 7 AZR 112/08 (A) – [= Rs. C-447/09 Prigge, SchlA 19.05.2011]

Zur Altersgrenze für Flugingenieure: BAG 02.06.2010 – 7 AZR 904/08 (A)

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 1; LuftVG § 32 Abs. 4; SR-FS Diente 2010 § 33; BetrVG §§ 99-101

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 08.10.2010; Aktenzeichen 13 BV 122/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.10.2010 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Düsseldorfer Betriebsrats zur Weiterbeschäftigung des Fluglosten T. über das Erreichen der tariflichen Altersgrenze hinaus.

Die Arbeitgeberin (Antragstellerin) befasst sich in ihrem Betrieb am Flughafen Düsseldorf International mit der Flugsicherung (Flugverkehrskontrolle). Die dort tätigen Arbeitnehmer werden von dem zu 2. beteiligten Betriebsrat vertreten. Auf die Arbeitsverhältnisse finden zumindest kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Haustarifverträge für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter Anwendung. Für die im Tower Düsseldorf eingesetzten 20 Fluglotsen gelten insbesondere die „Sonderregelungen 2010 für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den operativen FS-Diensten (SR FS-Dienste) vom 06.05.2010”. Die SR FS-Dienste 2010 enthalten in „Abschnitt 4. Bestimmungen für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” (wortgleich mit der Vorgängerregelung in § 34 SR-FS-Dienste 2008) folgende Bestimmung:

§ 33

(1) Für Supervisors FVK, Lotsinnen und Lotsen, die mindestens 15 Jahre eine Tätigkeit als Lotsin oder Lotse im Flugverkehrskontrolldienst wahrgenommen haben, endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem sie das 55. Lebensjahr vollendet haben.

(2) …

(3) Das Nähere zu den erforderlichen Überbrückungsleistungen ab dem Ersten des Folgemonats infolge der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln die Tarifverträge über die Übergangsversorgung.

Die tarifliche Übergangsversorgung beläuft sich auf ca. 70 % der letzten Bezüge. Die Tarifvergütung für Fluglotsen beträgt in der Endstufe monatlich annähernd EUR 9.400,00 brutto.

Der im Oktober 1955 geborene Mitarbeiter T. steht unter Anrechnung von Vordienstzeiten seit 1974 in den Diensten der Arbeitgeberin und ist eingesetzt als Fluglotse im Tower Düsseldorf. Zum 31.10.2010 erreichte er die tarifliche Altersgrenze. Zuvor hatten er und die Arbeitgeberin sich über eine vom 01.11.2010 bis 31.10.2011 befristete Anschlussbeschäftigung verständigt; für das Verlängerungsjahr ist ihm eine monatliche Zulage von ca. 1.300,00 EUR brutto zugestanden worden. Der Arbeitgeberin ist wegen der seit Jahren bestehenden Personalknappheit bei den im Tower Düsseldorf eingesetzten Fluglotsen sowie der dort regelmäßig anfallenden Überstunden an der Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters T. gelegen.

Am 08.06.2010 beantragte die Arbeitgeberin schriftlich beim Betriebsrat die Zustimmung zur befristeten Einstellung des Fluglotsen T. vom 01.11.2010 bis 31.10.2011. Am 22.06.2010 erklärte der Betriebsrat die Zustimmungsverweigerung. Zur Begründung verwies er auf die in § 33 Abs. 1 SR FS-Dienste 2010 angeordnete Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Weiterhin beanstandete er, dass sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG im Hinblick auf die dem Mitarbeiter T. versprochene persönliche Zulage übergangen worden sei. Schließlich bezog er sich auf die in einem arbeitsmedizinischen Gutachten aus April 1998 („Kastner-Gutachten”) enthaltene Empfehlung, Fluglotsen nicht über das 55. Lebensjahr hinaus weiterzubeschäftigen, und erinnerte in diesem Zusammenhang an die nicht vollständige Schichtdiensttauglichkeit des Mitarbeiters T..

Unter dem 27.09.2010 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, aus dringenden betrieblichen Gründen den Fluglotsen T. ab dem 01.11.2010 vorläufig einzusetzen. Mit Schreiben vom 28.09.2010 bestritt der Betriebsrat die gegebene Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.

Die Arbeitgeberin hat am 09.07.2010 beim Arbeitsgericht Düsseldorf den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG und am 29.09.2010 den Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG eingereicht.

D...

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