Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Altersgrenze für Fluglotsen
Leitsatz (amtlich)
Der Betriebsrat ist nicht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterbeschäftigung eines Fluglotsen, der die Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber vereinbart hat, wegen der in der Deutschen Flugsicherung tariflich bestimmten Altersgrenze von 55 Jahren zu verweigern (ebenso Kammer-Beschluss vom 09.03.2011 – 12 TaBV 81/10 –).
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 12 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 1; LuftVG § 32 Abs. 4; SR-FS Dienste 2010 § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 14.12.2010; Aktenzeichen 11 BV 121/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.12.2010 wird insgesamt zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde der Arbeitgeberin wird festgestellt, dass die vorläufige Einstellung des Arbeitnehmers I.-Q.N. ab 01.09.2010 als Fluglotse im Tower E. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des E. Betriebsrats zur Weiterbeschäftigung des Fluglosten N..
Die Arbeitgeberin (Antragstellerin) befasst sich in ihrem Betrieb am Flughafen E. International mit der Flugsicherung (Flugverkehrskontrolle). Die dort tätigen Arbeitnehmer werden von dem zu 2) beteiligten Betriebsrat vertreten. Auf die Arbeitsverhältnisse finden zumindest kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Haustarifverträge für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter Anwendung. Hierbei gelten für die im Tower E. eingesetzten 20 Fluglotsen die „Sonderregelungen 2010 für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den operativen FS-Diensten (SR FS-Dienste) vom 06.05.2010”. Die SR FS-Dienste 2010 enthalten in „Abschnitt 4. Bestimmungen für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” (wortgleich mit der Vorgängerregelung in § 34 SR-FS-Dienste 2008) folgende Bestimmung:
§ 33
(1) Für Supervisors FVK, Lotsinnen und Lotsen, die mindestens 15 Jahre eine Tätigkeit als Lotsin oder Lotse im Flugverkehrskontrolldienst wahrgenommen haben, endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem sie das 55. Lebensjahr vollendet haben.
(2) …
(3) Das Nähere zu den erforderlichen Überbrückungsleistungen ab dem Ersten des Folgemonats infolge der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln die Tarifverträge über die Übergangsversorgung.
Die tarifliche Übergangsversorgung beläuft sich auf ca. 70 % der letzten Bezüge. Die Tarifvergütung für Fluglotsen beträgt in der Endstufe monatlich annähernd EUR 9.400,00 brutto.
Der im August 1955 geborene Arbeitnehmer N. steht unter Anrechnung von Vordienstzeiten seit Juli 1972 in den Diensten der Arbeitgeberin und ist eingesetzt als Fluglotse im Tower E.. Zum 31.08.2010 erreichte er die tarifliche Altersgrenze. Zuvor hatten er und die Arbeitgeberin sich über eine vom 01.09.2010 bis 31.08.2012 befristete Anschlussbeschäftigung verständigt und für den Verlängerungszeitraum eine monatliche Zulage von ca. 1.150,00 EUR brutto vereinbart. Der Arbeitgeberin ist wegen der seit Jahren bestehenden Personalknappheit unter den im Tower E. eingesetzten Fluglotsen sowie der dort regelmäßig anfallenden Überstunden an der Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters N. gelegen.
Am 08.06.2010 beantragte die Arbeitgeberin schriftlich beim Betriebsrat die Zustimmung zur befristeten Einstellung des Fluglotsen N. vom 01.09.2010 bis 31.08.2012 (Bl. 56 GA). Am 22.06.2010 erklärte der Betriebsrat die Zustimmungsverweigerung (Bl. 58 GA). Zur Begründung verwies er auf die in § 33 Abs. 1 SR FS-Dienste 2010 angeordnete Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Weiterhin beanstandete er, dass sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG im Hinblick auf die dem Mitarbeiter N. versprochene persönliche Zulage übergangen worden sei. Schließlich bezog er sich auf die in einem arbeitsmedizinischen Gutachten aus April 1998 („Kastner-Gutachten”) enthaltene Empfehlung, Fluglotsen nicht über das 55. Lebensjahr hinaus weiterzubeschäftigen.
Unter dem 26.07.2010 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, aus dringenden betrieblichen Gründen den Fluglotsen N. ab dem 01.09.2010 vorläufig einzusetzen (Bl. 117 GA). Mit Schreiben vom 27.07.2010 (Bl. 120 GA) bestritt der Betriebsrat die gegebene Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.
Die Arbeitgeberin hat am 09.07.2010 beim Arbeitsgericht Düsseldorf den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG und am 28.07.2010 den Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG eingereicht. Sie hat gemeint, dass die tarifliche Altersgrenze nach § 33 Abs. 1 SR FS-Dienste 2010 nicht der befristeten Weiterbeschäftigung des Fluglotsen N. entgegenstehe. Die Weiterbeschäftigung sei angesichts der Personalknappheit im Tower E. und zur Verringerung dort anfallender Überstunden erforderlich.
Die Arbeitgeberin hat daher beantragt,
- festzustellen, dass dem Betriebsrat kein M...