Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Einsetzungsantrag bei noch nicht gescheiterten Verhandlungen. Ablehnung des Einigungsstellenvorsitzenden wegen mangelhaften Vertrauens. Kein gerichtliches Ermessen bei hilfsweiser Einigung der Parteien auf einen Einigungsstellenvorsitzenden
Leitsatz (amtlich)
1. Die in das (Auswahl-)Ermessen des Arbeitsgerichts gestellte Bestimmung der Person einer Einigungsstellenvorsitzenden hat sich an dem gesetzgeberischen Ziel zu orientieren, eine Person auszuwählen, die sowohl fachlich als auch persönlich möglichst gut geeignet ist, die Betriebsparteien in ihrem Regelungsstreit zügig zu einer - idealerweise einvernehmlichen - Lösung zu führen.
2. Bei der persönlichen Eignung der Person der Einigungsstellenvorsitzenden ist unter anderem von erheblicher Bedeutung, dass sie das Vertrauen beider Betriebsparteien genießt. Vertrauen kann aber nicht per Gerichtsbeschluss "verordnet" werden. Lehnt eine Betriebspartei die von der Gegenseite vorgeschlagene Person der Einigungsstellenvorsitzenden wegen fehlenden Vertrauens ab, bedarf es daher für diesen Ablehnungsgrund bis zur Grenze rechtsmissbräuchlichen Verhaltens keiner näheren und damit grundsätzlich auch keiner nachvollziehbaren Begründung.
3 Erklären sich beide Parteien jedenfalls hilfsweise mit derselben Person als Einigungsstellenvorsitzende einverstanden, ist das Auswahlermessen des Arbeitsgerichts im Falle des Bedingungseintritts dahingehend gebunden, diese Person zur Vorsitzenden zu bestimmen. Für die Bestimmung einer dritten Person seitens des Gerichts ist in einem solchen Fall kein Ermessensspielraum mehr gegeben.
Normenkette
ArbGG § 100; BetrVG § 76 Abs. 2; ArbGG § 89 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Entscheidung vom 20.04.2020; Aktenzeichen 1 BV 11/20) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2.) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Duisburg vom 20.04.2020 - Az.: 1 BV 11/20 - teilweise zur Person der Einigungsstellenvorsitzenden abgeändert und Frau Richterin am Arbeitsgericht Wesel, H. U., zur Vorsitzenden der durch das Arbeitsgericht eingesetzten Einigungsstelle bestimmt.
II.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Einführung eines Datenverarbeitungsprogramms zur Dienstplanung in den stationären Wohneinrichtungen der Antragstellerin sowie über die Person der Einigungsstellenvorsitzenden.
Der Beteiligte zu 2.) ist der siebenköpfige Betriebsrat im Betrieb der antragstellenden Arbeitgeberin, die neben einem Pflegedienst in E. und N. auch stationäre Wohneinrichtungen betreibt.
In dem Betrieb findet eine - ungekündigte - "Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung der bestehenden stationären Einrichtungen" vom 23.12.2016 Anwendung, deren Wortlaut auszugsweise wie folgt wiedergegeben wird und wegen deren Inhalts im Übrigen auf die Anlage 1 zur Beschwerdeschrift vom 05.05.2020 (Blatt 92h ff. der Akte) Bezug genommen wird:
"Präambel
Die Betriebsvereinbarung regelt die Dienstplangestaltung der S. E. GmbH. [...]
§ 1 Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle bestehenden stationären Einrichtungen der S. E. GmbH.
§ 2 Grundsätze der Dienstplanerstellung
(1) [...]
(2) Die Verantwortung für den Dienstplan liegt beim Arbeitgeber. Dieser kann einen Mitarbeiter mit der Erstellung des Dienstplans (Dienstplanschreiber) beauftragen.
(3) [...]
(4) [...]
(5) Änderungen im genehmigten Dienstplan werden im Auftrag der Einrichtungsleitung mit einem nichtlöschbaren Stift (z.B. Kugelschreiber) eingetragen. Die Änderungen werden namentlich und mit Datum gekennzeichnet.
(6) [...]
[...]"
Die Antragstellerin führte im Februar 2018 das Datenverarbeitungsprogramm Vivendi PEP mit Zustimmung des Betriebsrats für den Pflegedienst ein. Am 27.02.2018 fand eine zweitägige Schulung zu dem Programm statt, an der auch der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter teilnahmen.
Die Antragstellerin hat den Entschluss gefasst, das Programm Vivendi PEP auch in den stationären Wohneinrichtungen einführen zu wollen. Hierzu fanden am 06.03. und 12.11.2019 Gespräche der Beteiligten statt, deren Einzelheiten und Einordnung als Verhandlungen streitig sind.
Mit Schreiben vom 28.11.2019, wegen dessen Inhalts im Übrigen auf Blatt 48 der Akte Bezug genommen wird, teilte der Betriebsratsvorsitzende der Antragstellerin den Beschluss des Beteiligten zu 2.) mit, die Einführung von Vivendi PEP in den stationären Einrichtungen abzulehnen. Daraufhin erklärte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.01.2020 die Verhandlungen für gescheitert.
Der Betriebsrat wies nachfolgend mit außergerichtlichem Schreiben vom 31.01.2020 (Blatt 30 der Akte) darauf hin, dass die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei, da bisher aus seiner Sicht keine Verhandlungen stattgefunden hätten. Zudem warf er Fragen zur Umsetzung der geplanten Einführung des neuen Systems auf und schlug eine zweitägige Präsentation des Anbieters vor.
Mit Antragsschrift vom 25.02.2020 hat die Antragstel...