Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrvergleich. Vergleichsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Werden nicht anhängige Ansprüche in einem gerichtlichen Vergleich mitverglichen, so entsteht nach deren Wert eine 15/10-Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 3 BRAGO) auch dann, wenn für den Mehrvergleich Prozeßkostenhilfe beantragt und bewilligt worden ist.

 

Normenkette

BRAGO § 23 Abs. 1, § 128

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Beschluss vom 22.11.1996; Aktenzeichen 5 Ca 2053/95)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts H. wird derBeschluß des Arbeitsgerichts Solingen vom 22.11.1996 aufgehoben.

Auf seine Erinnerung wird die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts Solingen angewiesen, dem Rechtsanwalt H. aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen weitere 242,50 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer auf diesen Betrag festzusetzen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei;

Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 278,88 DM.

 

Tatbestand

A.

Der Beschwerdeführer (Prozeßbevollmächtigter des Klägers) beantragte im Termin vor dem Arbeitsgericht vom 02.02.1996 „die Prozeßkostenhilfe auch für den in der Folge abgeschlossenen Mehrvergleich”. Sodann wurde ein Vergleich geschlossen, der den Rechtsstreit (Kündigungsschutzklage) erledigte und weitere bis dahin nicht anhängige Ansprüche mitregelte. Danach setzte das Gericht den Streitwert für den Rechtsstreit auf 12.000,00 DM und für den Vergleich auf 18.300,00 DM fest. Mit Beschluß vom 28.06.1996 wurde dem Kläger Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug in vollem Umfang auch für den abgeschlossenen Mehrvergleich mit Wirkung ab 02.10.1995 bewilligt und ihm der Beschwerdeführer beigeordnet

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte (einer Entscheidung des LAG Köln vom 13.10.1995 – 8 Ta 210/95 – = Rpfleger 1996, 262 – nur Leitsatz – folgend) an PKH-Vergütung als Vergleichsgebühr lediglich eine 10/10-Gebühr nach dem Streitwert von 18.300,00 DM fest (485,00 DM). Demgegenüber ist der Beschwerdeführer der Auffassung, neben einer 10/10-Vergleichsgebühr nach dem Streitwert von 12.000,00 DM (445,00 DM) stehe ihm eine weitere 15/10-Vergleichsgebühr nach dem Mehrwert des Vergleichs von 6.300,00 DM zu (585,00 DM), zusammen somit 1.070,00 DM. Dieser Betrag sei entsprechend § 13 Abs. 3 BRAGO zu begrenzen auf eine 15/10-Gebühr nach dem vollen Wert von 18.300,00 DM (= 727,50 DM), so daß sich ein Differenzbetrag von 242,50 DM ergebe.

Der gegen die Absetzung dieses Betrages (nebst Mehrwertsteuer gerichteten Erinnerung) hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen. Der Richter hat die Erinnerung zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde.

In dem Beschwerdeverfahren hat sich der Bezirksrevisor u.a. wie folgt geäußert:

„Ich habe mit dieser Entscheidung (gemeint: LAG Köln a.a.O.) meine Probleme. Es ist gerade das Wesen des gerichtlichen Mehrvergleichs, daß damit, ohne daß insoweit ein gerichtliches Verfahren anhängig gemacht wird, Lebenssachverhalte abschließend und vollstreckbar geregelt werden. Anhängig wird eine Forderung durch Einreichen der Klage bzw. des verfahrensgemäßen Antrags. Alternativ heißt es in § 23 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz: Das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozeßkostenhilfe anhängig ist. Das Verfahren über die PKH kann sich im Rückschluß auf den 1. Halbsatz nur darauf beziehen, daß über den Gegenstand des Vergleichs ein PKH-Verfahren anhängig ist. Daran fehlt es aber, wenn nur beantragt ist, für den Mehrvergleich PKH zu bewilligen. Bei der Erstreckung der PKH auf den Mehrvergleich prüft das Gericht keine der PKH-Voraussetzungen, sondern ausschließlich, ob PKH bereits bewilligt ist. Dagegen wird nicht geprüft, ob die in dem Vergleich geregelten Fragen Gegenstand erfolgversprechender Rechtsverfolgung sein könnten; es wird nicht einmal geprüft, in wessen Interesse die einzelnen Streitpunkte geregelt werden, wer sie im Streitfall also anhängig machen müßte. Ein PKH-Verfahren im Sinne der §§ 117 ff. ZPO findet also nicht statt.

Dies alles kann im Gesetz nicht geregelt sein, weil die Erstreckung der PKH auf nicht anhängige Gegenstände im Gesetz nicht vorgesehen ist, sondern von der Rechtsprechung entwickelt wurde.

Im Ergebnis komme ich also dahin, daß § 23 Abs. 1 Satz 3, 2 Alt nur die Fälle meint, wo vor Anhängigmachen eines gerichtlichen Streitverfahrens ein förmliches PKH-Verfahren anhängig gemacht und im Verlauf dieses Verfahrens ein Vergleich geschlossen wird. (So wohl auch Gerold/Schmidt pp BRAGO 12. Aufl. Rn. 58 zu § 23).

Hinzu kommt noch, daß der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen hat, die das Interesse der Anwaltschaft an Erledigung von Streitfragen ohne „Belästigung” des Gerichts erhöhen soll. Dieser Zweck wird auch bei einem Mehrvergleich ohne PKH erfüllt. Es erscheint schwer vorstellbar, daß der Anwalt bei bereits gewährter PKH von einer solchen streitlosen Erledigung zurückgehalten werden soll, weil er entweder gegen seine eigenen Gebühreninteressen Erstreckung der PKH bea...

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