Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Einhaltung des Grundsatzes der geheimen Wahl des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz der geheimen Wahl erfordert, dass der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Kennzeichnung der Stimmzettel trifft. Dies erfordert das Aufstellen von Wandschirmen oder Trennwänden, solange nicht in einem überwachbaren Nebenraum gewählt wird. Entscheidend ist nicht, ob der Wähler tatsächlich beobachtet worden ist, sondern ob er subjektiv die Überzeugung haben konnte, unbeobachtet zu sein.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1; WO § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Entscheidung vom 16.06.2016; Aktenzeichen 3 BV 28/15) |
Tenor
- Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom 16.06.2016 - Az.: 3 BV 28/15 - wird zurückgewiesen.
- Die Rechtsbeschwerde wird - nicht - zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 10.12.2015.
Der Antragsteller ist ein gemeinnütziger Verein, der die Betreuung von Schulkindern in offenen Ganztagsschulen in M. durchführt. Er beschäftigt ca. 70 Mitarbeiter.
Antragsgegner und Beteiligter zu 2) ist der am 10.12.2015 gewählte Betriebsrat.
Die Beteiligten zu 3) bis 12) sind 10 Mitarbeiterinnen des Antragstellers.
Die Vorsitzende des am 10.12.2015 gewählten Betriebsrates, Frau T., war bis September 2015 Mitglied des Vorstands des Antragstellers. Sie und weitere Mitarbeiterinnen leiteten Ende September 2015 die Betriebsratswahl bei dem Arbeitgeber ein, bei dem bis dahin kein Betriebsrat bestand. Hierzu luden sie am 02.10.2015 zu einer ersten Wahlversammlung ein, Bl. 25 GA. In der Einladung heißt es auszugsweise:
"Einladung zur ersten Wahlversammlung
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
da wir bisher in unserem Betrieb noch keinen Betriebsrat haben, der sich für die Interessen der gesamten Belegschaft einsetzt, wollen wir einen Betriebsrat gründen. Zu diesem Zweck laden wir alle im Betrieb Beschäftigten zu einer ersten Wahlversammlung ein.
...
Der Betriebsrat selbst wird in einer zweiten Wahlversammlung gewählt. Diese zweite Wahlversammlung findet eine Woche nach der ersten Wahlversammlung statt.
... "
In der Versammlung am 02.10.2015 wurde ein dreiköpfiger Wahlvorstand gewählt, zu dem auch die jetzige Betriebsratsvorsitzende zählte. An dieser Versammlung nahm ein Gewerkschaftssekretär, Herr P. teil. Der Wahlvorstand informierte die Mitarbeiter in einem weiteren Schreiben über die Betriebsratswahl (Bl. 27 GA). Überschrieben ist das Schreiben mit "Betriebsrat für den Offene Ganztagsschulen M. e.V.".
Die Betriebsratswahl fand am 10.12.2015 in einem Raum der Arbeiterwohlfahrt statt. Für die Durchführung der Wahl ist eine Vereinbarung über ein vereinfachtes Wahlverfahren nicht abgeschlossen worden.
Der Wahlraum war etwa 6 Meter breit und 7 Meter lang, so dass die Fläche ca. 40 Quadratmeter betrug. Die Mitglieder des Wahlvorstandes saßen an drei Tischen am Kopf des Raumes. Auf der gegenüberliegenden Seite war in den beiden Ecken jeweils ein Tisch mit Stuhl für die Wähler platziert. Die Wählenden saßen am jeweiligen Wahltisch mit dem Rücken zum Wahlvorstand. Links neben den Tischen des Wahlvorstandes befand sich auf der linken Raumseite eine Türe. Wiederum links von der Türe befand sich noch ein Tisch des Wahlvorstandes. Dort aufgestellt war die Wahlurne und vor dem Tisch warteten die Wähler, die durch die Türe den Wahlraum betraten, um an frei werdenden Wahltischen Platz zu nehmen. Die Wahlurne bestand aus einem Pappkarton mit Schlitz. Bei der Durchführung der Wahl gab es am Wahltisch keine Wahlkabinen oder Trennwände. Die Situation kann wie folgt skizziert werden:
Tisch: =
Stuhl:=
Wartende Wähler:=
Mit seinem am 23.12.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag begehrte der Antragsteller die Feststellung, dass die Wahl vom 10.12.2015 nichtig ist, hilfsweise, dass sie für unwirksam erklärt wird. Gleiches beantragten auch die Beteiligten zu 3) - 10).
Der Antragsteller sowie die weiteren Beteiligten zu 3) bis 12) haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Wahl sei wegen gravierender Mängel im Wahlverfahren nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Zunächst handele es sich bei der Betriebsratsvorsitzenden sowie dem weiteren Mitglied H. N. um leitende Angestellte. Ihnen oblägen Mitarbeiterführung, Gestaltung und Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen und Organisationsstrukturen, die Führung des Betriebs im Innen- und Außerverhältnis, die verantwortliche pädagogische und organisatorische Leitung im Auftrag und im Einvernehmen mit dem Träger und der Schulleitung. Auch seien Wählerliste sowie ein Abdruck der Wahlverordnung nicht in allen Schulen ausgelegt worden. Nicht alle Mitarbeiter hätten Informationen über die Wahlversammlung erhalten. Es existiere kein Wahlausschreiben, jedenfalls keines, das die gesetzlichen Anforderungen erfülle. Es seien nicht alle Steckbriefe, die als Wahlwerbung vereinbart gewesen seien, von allen Kandidaten ausgehängt worden. Auch während der Wahl se...