Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung eines Arbeitnehmers mit der Begründung der unzureichenden Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht mit der Begründung verweigern, im Stellenbesetzungsverfahren seien gesetzliche Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung nach §§ 164 Abs. 1 Satz 4, 178 Abs. 2 SGB IX verletzt worden.
2. Vielmehr ist die Schwerbehindertenvertretung selbst mit den ihr gesetzlich gegebenen Mitteln in der Lage, ihre ordnungsgemäße Beteiligung sicherzustellen. Nutzt die Schwerbehindertenvertretung diese Rechte und Möglichkeiten nicht, ist es nicht Sache des Betriebsrats, mit der Begründung ihrer unzureichenden Beteiligung die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme zu verweigern, gegen die die Schwerbehindertenvertretung selbst überhaupt nicht vorgegangen ist. Eine solche Einmischung in die Organrechte der Schwerbehindertenvertretung widerspräche der gesetzlichen Aufgabenverteilung.
Normenkette
BetrVG § 95 Abs. 3, § 99; SGB IX §§ 164, 178; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.02.2023; Aktenzeichen 7 BV 190/22) |
Tenor
I. Auf die Beschwerden der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.02.2023 - Az.: 6 BV 189/22 - und vom 24.02.2023 - Az.: 7 BV 190/22 - jeweils teilweise abgeändert und die von dem Beteiligten zu 2 verweigerte Zustimmung zu der beabsichtigten Versetzung der Arbeitnehmer A. und K. ersetzt.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz zuletzt (allein) noch über die Ersetzung der von dem zu Ziffer 2 beteiligten Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung der Mitarbeiter A. und K. auf die Stelle eines Betriebssanitäters (EB1 Sanitäter) in der EB1 Sanitätsstation.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen im Bereich der Automobilzulieferindustrie und beschäftigt mehr als 900 Mitarbeiter. Beteiligter zu 2 ist der im Betrieb konstituierte, aus 15 Mitgliedern bestehende Betriebsrat (im Folgenden auch: "Betriebsrat").
Die Antragstellerin schrieb vom 04.08.2022 bis 18.08.2022 zwei Stellen als "Betriebssanitäter" innerbetrieblich aus (Anlage AS1, Blatt 18 der erstinstanzlichen Akte 7 BV 190/22). Auf die Stelle bewarben sich fünf interne und ein externer Mitarbeiter, u.a. der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Mitarbeiter L.. Mit E-Mail vom 16.08.2022 um 08:21 Uhr (Anlage AS6, Blatt 45 der erstinstanzlichen Akte 7 BV 190/22) schrieb die Antragstellerin an die Schwerbehindertenvertretung:
"Guten Morgen, ich möchte Sie kurz darüber informieren, dass sich Herr L. (SB-gleichgestellt) auf die interne Stelle des Betriebssanitäters beworben hat und er zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde."
Vorher gab es keine Information der Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung des Herrn L. Dieser hatte sich schon im Juni 2022 initiativ auf die Stelle eines Betriebssanitäters beworben. Seine Bewerbung wurde von der Antragstellerin in dem Bewerbungsverfahren daher auch berücksichtigt. Nach ihrer Behauptung unter Verweis auf die Anlage AS8 (Blatt 176 der erstinstanzlichen Akte 7 BV 190/22) fand dann am 16.08.2022 um 11 Uhr das Vorstellungsgespräch mit ihm statt, nach Behauptung des Beteiligten zu 2 hatte es bereits am 15.08.2022 stattgefunden. Unstreitig erfolgte seitens der Schwerbehindertenvertretung auf die Information vom 16.08.2022, 08:21 Uhr weder eine Rückmeldung noch nahm diese an dem Vorstellungsgespräch mit Herrn L. teil. Sie intervenierte allerdings auch nicht gegen die beiden beabsichtigten Versetzungen der Mitarbeiter K. und A., insbesondere nicht wegen einer Verletzung ihrer gesetzlichen Beteiligungsrechte.
Die stellvertretende Schwerbehindertenvertreterin Frau V. - zugleich ordentliches Betriebsratsmitglied - wandte sich jedoch mit Email vom 22.08.2022 an die Antragstellerin, wegen deren Inhalts auf die Anlage AS9 (Blatt 178 der erstinstanzlichen Akte 7 BV 190/22) Bezug genommen und die auszugsweise wörtlich wie folgt wiedergegeben wird:
"[...] wie bereits am 14.01.2022 mitgeteilt, hat sich Herr L. aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen auf mehrere im Betrieb ausgeschriebene Stellen beworben (Versand/Labor/Sanitäter).
[...]
Seitdem sind mehr als 7 Monate ins Land gegangen, ohne dass hier eine Veränderung zu Gunsten von Herrn L. erfolgt ist. Auf Wunsch von Herrn L., möchte ich hiermit nochmals daran erinnern und bitte um kurzfristige Prüfung, welchen Arbeitsplatz die Arbeitgeberin Herrn L. anbieten kann. [...]
Für Rückfragen stehen Herrn L. und die Schwerbehindertenvertretung (M. / D. V.) zur Verfügung."
Unter dem 30.08.2022 (AS9, Blatt 177 der erstinstanzlichen Akte 7 BV 190/22) wandte sich Frau V. dann an die Antragstellerin wie folgt:
"[...] wie soeben telefonisch besprochen, habe ich Herrn L. mitgeteilt, dass er die Nachfolge von Herrn P. (Waage) antreten kön...