Rechtsbeschwerde

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr nach erfolgter Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und anschließender Klagerücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einigungsgebühr i. S. d. Nr. 1000 VV RVG entsteht auch dann, wenn die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits sich auf eine Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses einigen und der Arbeitnehmer daraufhin die Klage zurücknimmt.

 

Normenkette

VV RVG Nr. 1000

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Beschluss vom 27.05.2005; Aktenzeichen 3 Ca 2295/04)

 

Tenor

1. Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers vom 03.06.2005 wird der (richterliche)Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom27.05.2005 – 3 Ca 2295/04 –, zugestellt am 03.06.2005, aufgehoben.

2. Der Zurückweisungs-Beschluss des Arbeitsgerichts vom 29.11.2004 wird (teilweise) abgeändert, soweit das Arbeitsgericht die beantragte Einigungsgebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer außer Ansatz gelassen hat.

3. Das Verfahren wird zur Neuentscheidung über den Vergütungsfestsetzungsantrag des Antragstellers/Beschwerdeführers an das Arbeitsgericht Oberhausen/Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zurückverwiesen.

4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

5. Für die Antragsgegnerin wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit Kündigungsschutzklage vom 28.09.2004 wandte sich der Kläger des Ausgangsrechtsstreits gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit dem Antrag,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.09.2004 nicht aufgelöst worden ist, sondern weiterhin fortbesteht.

Zugleich stellte er Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dem das Arbeitsgericht entsprach. Nachdem die Parteien sich außergerichtlich auf eine Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses geeinigt hatten, nahm der Kläger die Klage zurück. Im vorliegenden Verfahren auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren (§ 55 RVG) hat das Arbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bezirksrevisors die Festsetzung einer Einigungsgebühr abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die (befristete) Beschwerde des Antragstellers gegen den richterlichen Beschluss des Arbeitsgerichts ist zulässig: Sie ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die außer Ansatz gelassene Einigungsgebühr übersteigt 200,00 EUR. Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG einzuhaltende Rechtsmittelfrist von zwei Wochen ab Zustellung ist gewahrt.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors und des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss ist im vorliegenden Fall eine Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 VV RVG) entstanden. Sie entsteht nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.

a) Dass es sich bei der Einigung der Parteien über die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses um einen Vertrag handelt, durch den sie ihren Streit über ein Rechtsverhältnis beseitigt haben, ist unzweifelhaft. Der Streit zwischen ihnen über die Rechtswirksamkeit der Kündigung und über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses wurde einvernehmlich beigelegt.

b) Diese vertragliche Einigung beschränkte sich auch nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder auf einen Verzicht einer der beiden Parteien. Zunächst fehlt es insoweit bereits an entsprechenden Erklärungen. Insbesondere hat die Beklagte des Ausgangsrechtsstreits den prozessualen Anspruch des dortigen Klägers nicht anerkannt (vgl. § 307 Abs. 1 ZPO). Darüber hinaus haben die Parteien hier mit ihrer Vereinbarung über den Fortbestand und die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses mehr geregelt, als es der Beklagten einseitig etwa durch ein Anerkenntnis möglich gewesen wäre, indem sie beispielsweise die Kündigung als rechtsunwirksam anerkannt und zurückgenommen hätte. Da es sich bei der Kündigung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, kann sie nach Zugang vom Kündigenden nicht mehr einseitig zurückgenommen werden (vgl. u. a. BAG vom 19.08.1982 – 2 AZR 230/80 – AP § 9 KSchG 1969 Nr. 9, zu II 2 a der Gründe). Um das hiermit angestrebte Ziel zu erreichen, bedarf es der Zustimmung des Kündigungsempfängers, etwa in Form der hier zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses. Außerdem begibt sich der Arbeitnehmer mit einer solchen Einigung der für ihn im Einzelfall bestehenden Rechte aus §§ 9, 12 KSchG. Entsprechend löst eine derartige Einigung die Einigungsgebühr im Sinne der Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG aus (ebenso LAG Niedersachsen vom 18.02.2005 – 10 Ta 129/05 – [Juris]; LAG Berlin vom 08.06.2005 – 17 Ta 6...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?