Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der Gerichte für einstweilige Anordnungen gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Titel nach Erhebung einer Titelgegenklage analog § 767 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zuständiges Prozessgericht im Sinne des § 769 ZPO (analog) bei einer Titelgegenklage ist das Gericht, bei welchem die analog § 767 ZPO erhobene Titelgegenklage anhängig ist und nicht das (Berufungs-)Gericht des Ursprungsprozesses, aus dem der streitige Vollstreckungstitel herrührt.

2. Ein Antrag auf Weiterbeschäftigung als "Angestellter zu den bisherigen Arbeitsbedingungen" ist jedenfalls dann unbestimmt und ein entsprechender Titel nicht vollstreckbar, wenn unklar und weder dem Titel noch den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, was unter den "bisherigen Arbeitsbedingungen" zu verstehen ist.

 

Normenkette

ZPO § 769

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 07.09.2016; Aktenzeichen 4 Ca 1138/16)

 

Tenor

  • I.

    Der Antrag der Beklagten vom 4. Mai 2017 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 07.09.2016 (Az.: 4 Ca 1138/16) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim Arbeitsgericht Essen anhängige Titelgegenklage wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren 3 Sa 862/16 über einen Kündigungsschutz- sowie einen Weiterbeschäftigungsantrag.

Mit erstinstanzlichem Urteil vom 07.09.2016 hat das Arbeitsgericht Essen der Klage, die sich in erster Instanz auch noch gegen eine Änderungskündigung vom 30.06.2015 gerichtet hat, stattgegeben und antragsgemäß u.a. wie folgt tenoriert:

"3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag als Angestellten zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen."

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und richtet diese gegen die der Kündigungsschutzklage bzgl. der Beendigungskündigung vom 27.04.2016 und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgebende erstinstanzliche Entscheidung, während der die Änderungskündigung betreffende Teil der Entscheidung nicht angegriffen wird.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2017 wurden die Parteien durch die Berufungskammer darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit des Weiterbeschäftigungsantrages im Hinblick auf die Unbestimmtheit der Formulierung "zu den bisherigen Arbeitsbedingungen" bestünden.

Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.05.2017 Titelgegenklage vor dem Arbeitsgericht Essen erhoben sowie mit Schriftsatz vom gleichen Tage im vorliegenden Berufungsverfahren einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 07.09.2016 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim Arbeitsgericht Essen anhängige Titelgegenklage ohne - hilfsweise gegen - Sicherheitsleistung gestellt.

II.

Der vor dem Landesarbeitsgericht in dem vorliegenden Berufungsverfahren gestellte Antrag der Beklagten ist unzulässig, denn das Landesarbeitsgericht ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht das zuständige "Prozessgericht" im Sinne des § 769 Abs. 1 ZPO.

Die Beklagte stützt ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auf § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG i.V.m. § 769 Abs. 1 ZPO (analog) im Hinblick auf die von ihr analog § 767 ZPO erhobene Titelgegenklage (zu deren Zulässigkeit vgl. BAG vom 18.03.2008 - 1 ABR 3/07, [...], Rz. 16 m.w.N.; zu dem Wahlrecht der Beklagten im Hinblick auf die ggfs. ebenfalls mögliche Klauselerinnerung nach § 732 ZPO vgl. Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage, § 767 Rn. 9b). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auf die Fälle der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß oder analog § 769 ZPO anwendbar ist (vgl. zum Streitstand Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 8. Auflage, § 62 Rn. 50; Walker in: Schwab/Weth, ArbGG, 4. Auflage, § 62 Rn. 40, jeweils m.w.N.). Denn das wäre allein relevant für die Frage, ob eine Einstellung der Zwangsvollstreckung zum einen nur ohne Sicherheitsleistung erfolgen könnte (§ 62 Abs. 1 Satz 4 ArbGG) und zum anderen aber einen nicht zu ersetzenden Nachteil (§ 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) zur Voraussetzung hätte. Hingegen enthält § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG für den Fall einer Einstellung nach § 769 Abs. 1 ZPO keine Regelung zur Frage des zuständigen Gerichts.

Das für eine Entscheidung nach § 769 Abs. 1 ZPO (analog) bei einer Titelgegenklage zuständige Gericht ist vielmehr allein aus dieser Norm zu bestimmen. Zuständig ist danach das "Prozessgericht". Damit gemeint ist das Gericht, bei dem die Titelgegenklage anhängig ist (vgl. LAG L. vom 21.08.2011 - 2 Ta 230/11, [...], Rz. 8 zur parallel gelagerten Zuständigkeitsfrage bei der Vollstreckungsgegenklage; ebenso Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Auflage, § 769 Rn. 4), also das Arbeitsgericht Essen und nicht das hier angerufene Landesarbeitsgericht, bei dem...

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