Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Auflösungsantrag wegen Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein durch die Generaldirektion der Dt. Telekom AG verhängter Einstellungsstop steht einer Stellensperrung durch den Haushaltsgesetzgeber gleich, wenn die Entscheidung aus gesamtunternehmerischen Erwägungen getroffen worden ist und das Besetzungsverbot auf objektiv nachprüfbaren gesamtunternehmerischen Grundlagen beruht, ohne den nachgeordneten Stellen einen Entscheidungsspielraum zu belassen (im Anschluß an BVerwG, Beschluß vom 02.11.1994 – 6 P 48/93).

2. Ist die den Auszubildenden bisher beschäftigende Niederlassung hierdurch verbindlich an einer Stellenbesetzung gehindert, so steht ihr ein freier Arbeitsplatz i.S.v. § 78 a Abs. 4 S. 1 BetrVG nicht zur Verfügung.

3. Aus dem Bestehen eines Überhangs nicht abgebauter Überstunden ist nicht ohne weiteres eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung neuer Arbeitsplätze abzuleiten.

 

Normenkette

BetrVG § 78a Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Beschluss vom 17.04.1996; Aktenzeichen 3 (2) (3) BV 6/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) gegen denBeschluß des Arbeitsgerichts Duisburg vom 17.04.1996 – 3 (2) (3) BV 6/96 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem antragstellenden Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des ehemaligen Auszubildenden M. (Beteiligter zu 2) gem. § 78 a Abs. 4 BetrVG zuzumuten ist. Verfahrensbeteiligt sind zudem die Jugend- und Auszubildendenvertretung bei der Niederlassung D. sowie der dort bestehende Betriebsrat.

Der Beteiligte zu 2) wurde in der Niederlassung D. zum Kommunikationselektroniker ausgebildet und schloß am 24.01.1996 seine Ausbildung erfolgreich ab. Er war Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um den Rechtsnachfolger der Deutschen Bundespost Telekom.

Mit Anweisung vom 28.02.1995 (Bl. 8 f d.A.) teilte die Generaldirektion unter Hinweis auf eine bis zum Jahr 2000 erforderliche Verringerung der Mitarbeiterzahl um 60 000 mit, daß für das Jahr 1995 ein Personalabbau um rund 6000 Kräfte beschlossen sei, 200 ausgebildete Kommunikationselektroniker könnten in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden, allerdings nur solche Auszubildende des Prüfungsjahrgangs 1996, welche wegen guter Leistungen ihre Ausbildung voraussichtlich im Juli/August 1995 vorzeitig abschließen könnten. Mit Anweisung vom 26.05.1995 (Bl. 10 f d.A.) ordnete die Generaldirektion an, daß nur in den neuen Bundesländern Kommunikationselektroniker eingestellt werden sollten. Für die übrigen Niederlassungen – unter anderem auch D. – bestand ein Einstellungsstop. Mit Anweisung vom 03.01.1996 ordnete die Generaldirektion unter anderem an:

„Trotz der momentanen und mittelfristigen personalwirtschaftlichen Situation können aufgrund personalpolitischer Überlegungen den Nachwuchskräften Kommunikationselektroniker/-in (Ke (n)) 100 und den Kaufleuten für Bürokommunikation (KfB) insgesamt 200 Arbeitsplätze in 1996 angeboten werden.

Die Arbeitsplätze für Ke (n) werden ausschließlich den Auszubildenden des Prüfungsjahrgangs 1997 angeboten, die wegen guter Leistungen ihre Ausbildung voraussichtlich im Juli/August 1996 vorzeitig abschließen. Den Ke (n) und Elektromechanikern/innen, die im Januar/Februar 1996 die Ausbildung beenden, kann kein Arbeitsplatz angeboten werden.

Darüber hinaus sind im Geschäftsjahr 1996 grundsätzlich keine Einstellungen vom Arbeitsmarkt möglich.”

Unter dem 26.01.1996 setzte die Generaldirektion die Einstellungsquote der Niederlassung D. – für den Sommer 1996 auf „O.” fest.

Unter dem 09.10.1995 wurde dem Beteiligten zu 2) mitgeteilt, eine Übernahme als Kommunikationselektroniker sei voraussichtlich nicht möglich. Dieser beantragte mit Schreiben vom 06.12.1995 seine Weiterbeschäftigung nach Ausbildungsende.

Mit dem am 01.02.1996 bei dem Arbeitsgericht Duisburg eingegangenen Antrag hat der Arbeitgeber die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 2) begehrt. Der Arbeitgeber hat hierzu die Auffassung vertreten, die Übernahme des Beteiligten zu 2) in ein Arbeitsverhältnis sei ihm im Sinne des § 78 a Abs. 4 BetrVG unzumutbar. Er hat hierzu auf den – mit Ausnahme der neuen Bundesländer – bestehenden Einstellungsstop für Kommunikationselektroniker hingewiesen. Aufgrund Anweisung der Generaldirektion bestehe auch für die Niederlassung D. angesichts der Quote O. kein eigener Entscheidungsspielraum. Mit der Verfügung eines Einstellungsstops durch die Unternehmensleitung entfielen damit jedwede ansonsten freie Arbeitsplätze. Ohnedies stehe zum Zeitpunkt des 01.01.1996 in dem Bereich des Beteiligten zu 2) einem Personalbedarf von 417,7 Kräften ein Personalbestand von 421 Kräften gegenüber. Für 1996 sei eine weitere Personalbedarfabsenkung von ca. 30 Arbeitsposten in Duisburg vorgesehen. Über § 78 a BetrVG könne der Arbeitgeber auch nicht zur S...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge