Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen einer Pflichtverletzung aus einer vorangegangenen Amtsperiode

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem Antrag auf den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzinteresse, weil er auf eine Pflichtverletzung aus einer vorangegangenen Amtsperiode gestützt wird. Ob der Antrag gemäß § 23 Abs.1 S.1 BetrVG auf eine frühere Pflichtverletzung gestützt werden kann, ist allein eine Frage der Begründetheit.

2. Wenn eine unmittelbar vor der Neuwahl des Betriebsrats begangene Pflichtverletzung konkrete Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem neugewählten Betriebsrat und dem Arbeitgeber hat, kann diese Pflichtverletzung zum Ausschluss aus dem Betriebsrat in der folgenden Amtsperiode führen. Dies ist jedenfalls möglich, wenn ein Betriebsratsmitglied nicht nur ein vom Arbeitgeber als geheimhaltungsbedürftig bezeichnetes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis öffentlich macht, sondern zugleich zum Ausdruck bringt, dies auch zukünftig so handhaben zu wollen.

 

Normenkette

ArbGG § 81 Abs. 3 S. 1; BetrVG § 23 Abs. 1 S. 1, § 79 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 03.07.2014; Aktenzeichen 4 BV 12/14)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 27.07.2016; Aktenzeichen 7 ABR 14/15)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 03.07.2014 - AZ: 4 BV 12/14 - abgeändert.

    Der Beteiligte zu 2) wird aus dem Betriebsrat der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH ausgeschlossen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligen streiten über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat.

Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist die Arbeitgeberin. Sie betreibt ein Unternehmen der Wasserversorgung- und dienstleistung. Der Beteiligte zu 3) ist der im Betrieb der Antragsstellerin im April 2014 gewählte Betriebsrat. Der Beteiligte zu 2) ist Mitglied dieses Betriebsrats. Auch in der vorangegangenen Amtszeit war er bereits Betriebsratsmitglied.

80% der Gesellschaftsanteile der Arbeitgeberin gehören dem RWE-Konzern (im Folgenden: RWE). Bereits in den Jahren 2002 und 2007 gab es Überlegungen zu einem Anteilsverkauf. Zu den Interessenten im Jahr 2002 gehörte u. a. die Firma H.. In einer Betriebsratsinformation an die Mitarbeiter vom 25.05.2007 wurden unter der Überschrift "Gerüchte um den RWE-Verkauf" Ausführungen zu Medienberichten über einen etwaigen Verkauf von RWE-Anteilen getätigt. Weiter wurden als die "üblichen Verdächtigen" u. a. "H., S., ..." genannt.

Im Rahmen einer Klausurtagung am 22.05.2013 informierte ein Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr Dr. T., den Betriebsrat über einen etwaigen Verkauf von Anteilen durch RWE. In der Folge stellte der Beteiligte zu 2) innerhalb des Betriebsrats den Antrag, einen Beschluss zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht bezüglich der Ausführungen von Herrn Dr. T. auf der Klausurtagung vom 22.05.2013. Der Betriebsrat fasste hierüber einen Beschluss, mit dem der Antrag abgelehnt wurde.

Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 17.10.2013, auf der Herr Dr. T. die Situation im Gesamtkonzern als kritisch bezeichnete, gab dieser auf Nachfrage des Beteiligten zu 2) die Erklärung ab, ein Verkauf von Anteilen könne nicht ausgeschlossen werden.

Am 21.01.2014 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer Dr. T. auf der einen sowie dem Betriebsratsvorsitzenden C. C. und dem damaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden H. S. auf der anderen Seite statt. In diesem Gespräch informierte Dr. T. die beiden Betriebsratsmitglieder über Planungen der RWE, Anteile zu verkaufen. Als Kaufinteressent wurde u. a. die Firma H. genannt. Dr. T. wies auf die absolute Vertraulichkeit dieser Information hin.

In der Betriebsratssitzung vom 29.01.2014, an der auch der Beteiligte zu 2) teilnahm, informierte der Betriebsratsvorsitzende die übrigen Betriebsratsmitglieder über den geplanten Verkauf von Anteilen und wies darauf hin, dass es sich hierbei um streng vertrauliche Informationen handele.

Im Rahmen einer Mitgliederversammlung/Vertrauensleutesitzung der ver.di - Betriebsgruppe am 17.02.2014 brachte der Beteiligte zu 2) einen möglichen Verkauf der RWE-Anteile zur Sprache. Der ebenfalls anwesende Betriebsratsvorsitzende C. C. wies ihn dabei auf seine Verschwiegenheitspflicht hin. Über den Verlauf der Sitzung wurde ein Ergebnisprotokoll gefertigt, wegen dessen Einzelheiten auf die von der Arbeitgeberin überreichte Anlage AST 1, Bl. 8 - 11 d. A., Bezug genommen wird.

Am 20.02.2014 fand eine Betriebsversammlung statt, in der sich die Kandidaten für die Betriebsratswahl, u. a. auch der Beteiligte zu 2), vorstellten. Der Beteiligte zu 2) brachte in seiner Rede einen möglichen Verkauf von RWE - Anteilen an H. zur Sprache. Seine Rede enthielt u. a. nachfolgende Passagen:

"Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die anstehende Wahl hat sehr viel mit der Zukunft unserer RWW zu tun Dr. T. hat bei der letzten Betriebsver...

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