Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung einer Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann mittels einstweiliger Verfügung in ein laufendes Verfahren zur Wahl eines Betriebsrats – bis hin zum Abbruch der Wahl – eingegriffen werden. An den Erlass einer solchen einstweiligen Verfügung sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. In laufende Betriebsratswahlverfahren kann im Wege der einstweiligen Verfügung nur eingegriffen werden, wenn die Wahl als nichtig anzusehen wäre oder zumindest ein feststehender, unkorrigierbarer Wahlfehler vorliegt, der mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl nach sich zöge. Die bloße Wahrscheinlichkeit des Verstoßes gegen wesentliche Wahlvorschriften genügt nicht. Selbst wenn ein solcher Verstoß feststeht, bedarf es einer abschließenden Interessenabwägung, in der das berechtigte Interesse des Antragstellers, zumeist des Arbeitgebers, nicht auf ein teures und ggf. langwieriges Wahlanfechtungsverfahren verwiesen zu werden, in Relation zum gesetzlich anerkannten Interesse der Betriebsbelegschaft an der Vermeidung betriebsratsloser Zeiten zu setzen ist
2. Nicht ausreichend ist es, dass drei Arbeitnehmer vom Wahlvorstand als wahlberechtigt angesehen werden und auf die Wählerliste gesetzt wurden. Denn daraus folgt kein unkorrigierbarer Wahlfehler, der mit Sicherheit zu einer erfolgreichen Anfechtung führen würde. Das wäre nämlich nur dann der Fall, wenn feststünde, dass diese drei Arbeitnehmer zum einen überhaupt an der Wahl teilnähmen und zum anderen durch ihre Stimmen das Ergebnis der Wahl anders ausfiele als bei ihrer Nichtteilnahme.
3. Zur Begründung eines Eingriffs in die laufende Betriebsratswahl grundsätzlich geeignet kann der Umstand sein, dass das Mitwählen dieser drei Arbeitnehmer gleichzeitig dazu führen würde, dass gemäß § 9 S. 1 BetrVG anstelle eines dann drei Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, weil die Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer auf i.d.R. mehr als zwanzig anstiege. Es muss dann aber zur Überzeugung der Kammer davon auszugehen sein, dass die Einschätzung des Wahlvorstands, in Ansehung der konkreten Verhältnisse im Betrieb sei von mindestens 21 i.d.R. wahlberechtigten Arbeitnehmern auszugehen, zweifelsfrei fehlerhaft ist und deshalb mit Sicherheit zur Anfechtbarkeit der anstehenden Wahl führen würde.
Normenkette
BetrVG §§ 19, 9 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Beschluss vom 15.03.2010; Aktenzeichen 1 BVGa 5/10 v) |
Tenor
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 15.03.2010 – 1 BVGa 5/10 v – wird abgeändert. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit Maßnahmen des Beteiligten zu 2) in Vorbereitung der Betriebsratswahl.
Die Antragstellerin unterhält ein Unternehmen zum Rohrleistungs- und Apparatebau. Sie beschäftigt an 3 Standorten insgesamt rund 175 Arbeitnehmer. Dabei handelt es sich vorwiegend um Montagearbeiter, die im In- und Ausland insbesondere Schweißarbeiten in Industrieanlagen durchführen. Im Betrieb W. besteht momentan ein dreiköpfiger Betriebsrat, dessen Amtszeit am 31.03.2010 abläuft. Zwischen den Beteiligten herrscht Streit, ob in Anbetracht der seit dem Jahre 2006 gesunkenen Zahl von betriebsangehörigen Arbeitnehmern in diesem Jahr ein ein- oder dreiköpfiger Betriebsrat zu wählen ist und wer an dieser Wahl teilnehmen darf.
Auf Bitten des Beteiligten zu 2) – des dreiköpfigen Wahlvorstands – übersandte die Antragstellerin am 22.02.2010 eine Wählerliste, in der insgesamt 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer aufgeführt sind. Darunter befinden sich zwei Mitarbeiter, die von der Antragstellerin an ein anderes Unternehmen ausgeliehen worden sind. Leiharbeitnehmer, die im Betrieb W. der Antragstellerin arbeiten, sind nicht enthalten. Am 04.03.2010 veröffentlichte der Beteiligte zu 2) ein Wahlausschreiben, mit dem die Betriebsratswahl auf den 23.03.2010 in der Zeit von 12.00 bis 13.00 Uhr terminiert und die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder auf drei festgesetzt wurde. Auf die ebenfalls ausgehängte Wählerliste setzte der Beteiligte zu 2) drei weitere Mitarbeiter, und zwar:
1) Herrn S. P., der am 03.08.2009 von der Antragstellerin fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.03.2010 gekündigt worden war. Herr P. hat Kündigungsschutzklage erhoben, Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme ist anberaumt auf den 06.05.2010. Einen Weiterbeschäftigungsantrag hat er nicht gestellt, und er wird auch nicht vorläufig weiterbeschäftigt. Die Antragstellerin hat weder eine Ersatzeinstellung für Herrn P. vorgenommen noch plant sie eine solche. In der Beschwerdeinstanz hat der Beteiligte zu 2) erklärt, Herrn P. aus der Wählerliste streichen zu wollen.
2) Herrn B. E., der seit Oktober 2009 auf einer Baustelle im Oman arbeitet. Herr E. schloss mit der Antragstellerin im Februar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag, nach dessen Maßgabe er ab dem 1...