Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahlstop: Einstweilige Verfügung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Allgemeinen kann durch eine einstweilige Verfügung in eine laufende Betriebsratswahl nur eingegriffen werden, wenn die Wahl mit Sicherheit als nichtig anzusehen wäre. Allerdings sind zum Abbruch der Wahl auch Wahlfehler geeignet, die zwar lediglich zur Anfechtung einer Betriebsratswahl nach § 19 Abs.1 BetrVG berechtigen, jedoch so schwerwiegend sind, dass sie mit Sicherheit einer zu erwartenden Wahlanfechtung zum Erfolg verhelfen, und die auch nicht im Rahmen des Anfechtungsverfahrens korrigiert werden können.

2. Nach § 7 Abs. 2 S. 2 WO hat der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Eine Verletzung dieser Pflicht berechtigt zur Anfechtung der Wahl gem. § 19 Abs.1 BetrVG, da nicht auszuschließen ist, dass das Wahlergebnis bei ordnungsgemäßer Prüfung und Beanstandung anders ausgefallen wäre.

3. Die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagslisten und zur unverzüglichen Unterrichtung des Listenvertreters über die Ungültigkeit der Liste dient dazu, es dem Einreicher der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste zu unterbreiten. Diese Möglichkeit darf dem Einreicher nicht durch eine verzögerte Behandlung durch den Wahlvorstand genommen werden. Der Wahlvorstand hat daher der ihm obliegenden Prüfungspflicht grundsätzlich rechtzeitig nachzukommen. Entsprechend dem Zweck des § 7 Abs. 2 S. 2 WO besteht eine Pflicht zur möglichst raschen Prüfung und Unterrichtung insbesondere dann, wenn der Ablauf der Frist zur Erreichung der Wahlvorschläge unmittelbar bevorsteht. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammenzutreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können.

4. Im Rahmen des § 940 ZPO bedarf es nach Feststellung eines unkorrigierbaren Wahlfehlers im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Verfügungsgrunds einer abschließenden Interessenabwägung, in der das berechtigte Interesse des Antragstellers, nicht auf ein teures und ggf. langwieriges Wahlanfechtungsverfahren verwiesen zu werden, in Relation zum gesetzlich anerkannten Interesse der Betriebsbelegschaft an der Vermeidung einer betriebsratslosen Zeit zu setzen ist.

 

Normenkette

BetrVG § 19 Abs. 1; WO § 7 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 07.05.2010; Aktenzeichen 2 BVGa 14/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.05.2010 – 2 BVGa 14/10 – abgeändert:

  1. Dem Wahlvorstand wird untersagt, die für den 18.05.2010 angesetzte Betriebsratswahl für die Betriebe der Arbeitgeberin in E., J. straße 45 und E., X. Straße 66, durchzuführen. Dem Wahlvorstand wird aufgegeben, das auf der Grundlage des Wahlausschreibens vom 01.04.2010 eingeleitete Wahlverfahren zu beenden und dies in den Betrieben bekanntzumachen.
  2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 wird dem Wahlvorstand bezogen auf jeden Tag der Fortsetzung des Wahlverfahrens ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,– EUR angedroht.
 

Tatbestand

I.

Die antragstellende Arbeitgeberin verfügt über einen Standort in L. und zwei Standorte in E.. Für die beiden letztgenannten Betriebe (nachfolgend: E. Airport und E. City) sollte ein einheitlicher Betriebsrat gewählt werden. Zu diesem Zweck wurde am 01.04.2010 ein Wahlausschreiben erlassen. Danach mussten Vorschlagslisten von mindestens 31 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterzeichnet sein und bis zum 15.04.2010 um 14.00 Uhr beim Wahlvorstand, dem Antragsgegner in diesem Verfahren, eingereicht worden sein. Der Wahlvorschlag sollte mindestens 22 Bewerber aufweisen.

Das Wahlvorstandsmitglied E. C. hatte bereits am 10.03.2010 auf Anfrage einer Vorschlagsliste per Email an die Mitarbeiterin E. T. für die Liste B. K. des Standortes E. Airport ein Muster einer Wahlvorschlagsliste gesendet. Dabei wurde ausdrücklich auf die Hinweise für die Einreichung einer gültigen Wahlvorschlagsliste verwiesen. Unter Ziffer 6 dieser Hinweise ist ausdrücklich festgehalten, dass die Liste eine einheitliche Urkunde ist, und daher einer Verbindung mittels einer Heftmaschine bedürfe.

Am 14.04.2010 wurde durch Frau K. B. als Listenvertreterin eine Vorschlagsliste (nachfolgend: „Liste B.”) um 15. 28 Uhr beim Wahlvorstand in dem Betrieb E. Airport (X. Straße 66, E.) eingereicht. Die eingereichte Liste hatte 142 Stützunterschriften. Eine Überprüfung der Vorschlagsliste durch die entgegennehmenden Wahlvorstandsmitglieder folgte direkt nach der Entgegennahme nicht. Die Vorschlagsliste bestand aus fünf Blatt Papier, die nicht miteinander verbunden waren. Sie enthielt nur 21 Bewerber. Die Bewerberin Frau D. W. war zum Zeitpunkt der Wahl noch keine sechs ...

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