Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässiges Rechtsschutzziel für Anträge des Betriebsrats im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren
Leitsatz (amtlich)
1) Der Betriebsrat kann im Beschlussverfahren nicht die Feststellung eines zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisses verlangen, sondern nur eigene betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche verfolgen. Entscheidend ist, ob der Betriebsrat ausschließlich Rechte der Arbeitnehmer reklamiert oder sich eigener Rechte berühmt, deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Mit der Feststellung von Zeitgutschriften für die Mitarbeiter anlässlich des Sturms "Ela" begehrt der Betriebsrat hier zulässiger Weise die Anwendung der Betriebsvereinbarung auf einen konkreten Fall.
2) Unter Zugrundelegung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze für Betriebsvereinbarungen erfasst der Begriff der "Naturkatastrophe" in der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1998 auch das sog. "Wegerisiko". Zudem ist der Sturm Ela vom 09.06.2014 auch eine Naturkatastrophe im Sinne der Betriebsvereinbarung.
Normenkette
BetrVG § 80 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.11.2014; Aktenzeichen 8 BV 167/14) |
Tenor
- Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.11.2014, Az. 8 BV 167/14 abgeändert und die Arbeitgeberin verpflichtet, entsprechend der Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 16.11.1998 den Mitarbeitern die Arbeitsausfälle in Folge der Unwetterkatastrophe vom 09.06.2014 im Gleitzeitkonto der betroffenen Mitarbeiter gut zu schreiben.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Frage der Berücksichtigung von Zeitgutschriften auf den Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter infolge von Arbeitsausfällen anlässlich des Sturms "Ela" am 10.06.2014.
Beteiligte zu 2), die Arbeitgeberin, betreibt ein Versicherungsunternehmen (im Folgenden auch: Arbeitgeberin). In E. unterhält sie eine Geschäftsstelle sowie eine Schadensabteilung. In der Geschäftsstelle arbeiteten am 10.06.2014 26 Mitarbeiter, in der Schadensabteilung 62 Mitarbeiter.
Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat (im Folgenden auch: Betriebsrat).
Am 16.11.1998 schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit (im Folgenden: BV Arbeitszeit). Darin vereinbarten die Betriebspartner für die Mitarbeiter jeweils ein Gleitzeitkonto, § 4 BV Arbeitszeit sowie einen flexiblen Arbeitszeitrahmen von 7.00 Uhr - 19.00 Uhr, § 3 BV Arbeitszeit. Zudem richteten sie ein "Freizeitkonto" ein, § 5 BV Arbeitszeit. Darüber hinaus vereinbarten sie - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - Folgendes:
"§ 13
Zeitgutschriften
Unberührt der Regelung des § 616 BGB, des MTV für das private Versicherungsgewerbe und der BV "Arbeitsordnung und Sozialleistungen" werden die Zeiten folgender Arbeitsausfälle dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben:
a)Verletzung als Folge eines auf dem direkten Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erlittenen Unfalles;
b)Akute Verletzung oder Erkrankung am Arbeitsplatz;
c)Facharztuntersuchungen und Vorladungen zu Amts- und Vertrauensärzten;
d)Schwangerschafts- und Krebsvorsorgeuntersuchungen;
e)Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten aus öffentlichen Ehrenämtern;
f)Förmliche Vorladung zu Behörden, soweit diese nicht in der Person des Mitarbeiters begründet sind;
g)Naturkatastrophen (Nachweis nur bei lokalem Auftreten erforderlich).
Am 09.06.2014 gab es im Bereich der Städte Krefeld, Düsseldorf, Duisburg-Süd, Mülheim und Essen ein Unwetter mit orkanartigen Böen, das im Stadtgebiet Düsseldorf dazu führte, dass zahlreiche Bäume entwurzelten und u.a. auf Straßen stürzten. Dies bewirkte insbesondere am Folgetrag erhebliche Störungen im Straßenverkehr, da eine Vielzahl von Bäumen zu entfernen waren. Zudem kam es auch im Nahverkehr zu vielfältigen Einschränkungen.
Einige Mitarbeiter der Arbeitgeberin trafen an diesem Tag zum Teil gar nicht, zum Teil mit erheblichen Verspätungen an ihrem Arbeitsplatz ein. Von den 62 Mitarbeitern der Schadensabteilung erschienen 32 zur Arbeit. 2 Mitarbeiter befanden sich im Erziehungsurlaub, 5 Mitarbeiter waren krank, 3 Mitarbeiter hatten einen nicht sturmbedingten Zeitausgleichstag, 5 Mitarbeiter hatten aufgrund ihrer Teilzeitregelung an diesem Tag frei, 13 Mitarbeiter hatten nicht sturmbedingten Urlaub. 1 Mitarbeiter nahm sturmbedingt einen Zeitausgleichstag, 1 Mitarbeiter einen Urlaubstag. 5 Mitarbeiter der Schadensabteilung haben gegenüber der Beklagten erklärt, sie hätten länger als üblich für den Weg gebraucht. Dabei handelt es sich um die Mitarbeiter H. (3 Stunden), K. (5 Stunden), L. (2,5 Stunden), I. (2 Stunden 10 Minuten) und M. (1 Stunde 36 Minuten). Frau H. erhielt aus Kulanz eine Zeitgutschrift von 1,5 Stunden, Herr K. von 2,5 Stunden und Herr L. 1 Stunde 15 Minuten. Zwei Mitarbeiter haben gegenüber dem Betriebsrat geltend gemacht, sie seien länger als normal unterwegs gewesen, die Mitarbeiter...