Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit von Betriebsratswahlen bei getrennten Wahlgängen. Nichtigkeit einer Wahl nur bei groben Verstößen
Leitsatz (amtlich)
Die Durchführung der Freistellungswahl in getrennten Wahlgängen widerspricht dem mit der Anordnung der Verhältniswahl verfolgten Zweck, gewerkschaftliche Minderheiten im Betriebsrat stärker zu schützen. Eine hiervon abweichende Regelung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ist unwirksam.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1, § 38 Abs. 1-2; ArbGG § 89 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.01.2019; Aktenzeichen 2 BV 129/18) |
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers sowie der Beteiligten zu 2. und zu 3. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.01.2019 - 2 BV 129/18 - werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Wahl der nach § 38 BetrVG freizustellenden Betriebsratsmitglieder.
Der Beteiligte zu 1.) (iF: Antragsteller) wurde am 07.05.2018 zum Mitglied des zu 2.) beteiligten 11-köpfigen Betriebsrats der zu 3.) beteiligten Arbeitgeberin gewählt. Auf die Arbeitgeberin findet der Haustarifvertrag über die Zusammensetzung der betriebsverfassungsrechtlichen Gremien im T.-Konzern vom 17.12.2013 (im folgenden T.-BR-TV genannt) idF des Änderungstarifvertrag vom 17.01.2018 Anwendung. Darin heißt es:
2. Wahl von Betriebsräten
2.1 Betriebsräte werden gemäß den in der Anlage 2 zu diesem Tarifvertrag erfassten und festgelegten Betrieben gewählt, weitere Betriebsräte werden nicht gewählt. Im Betriebsrat sollten dabei alle jeweils zu einem Betrieb zusammengefassten Einheiten angemessen vertreten sein.
....
4. Freistellungen
4.1 Die Freistellungen sind abweichend zu § 38 BetrVG in Anlage 2 geregelt.
Die Anlage 2 enthält auf Seite 3 folgende Regelung:
Anlage 2 zum Haustarif T. AG
Nr. |
Betriebe im Sinne des Betriebs- verfassungsgesetzes § 3 BetrVG |
Zugeordnete Gesellschaften |
7a |
DIR Baustoffe/Verwertungmit den Bereichen: AMA Nordwest AMA Nordost AMA West AMA Süd-West AMA Ost AMA Rhein-Main Düsseldorf OstBaustoffrecycling |
Deutsche B. GmbH, L. Mineral C. GmbH, L. B. I. werk GmbH, M.-F. H. GmbH, T.C. & C. GmbH, I. |
7b |
DIR Beton Mobilbaustoffemit dem Bereich:Deutschland (aus UB 6V) |
S. Transportbeton GmbH, L. |
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Anzahl Freistellungen |
4 |
Die Betriebsratswahl war in Form einer Listenwahl durchgeführt worden. Die Liste 1 errang 7 der 11 Sitze, auf Liste 2 entfielen 4 Sitze. Die konstituierende Sitzung fand am 22.05.2018 statt. In der darauf folgenden Betriebsratssitzung vom 23.05.2018 wurden die vier gemäß der Anlage 2 T.-BR-TV freizustellenden Betriebsratsmitglieder gewählt, die Beteiligten zu 4.) bis 7.).
Dabei wurde zunächst die Vorsitzende des Betriebsrats (Beteiligte zu 4.) zur Wahl gestellt und gewählt. Sodann wurde für den Bereich II-West / JJ-Süd-West und GG-Rhein Main der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats (Beteiligter zu 5.) zur Wahl gestellt und gewählt. Danach wurde für den Bereich CC-Nord-West / EE - Nord-Ost und S. C. + C. Frau X. (Beteiligte zu 6.) zur Wahl gestellt und gewählt. Gegenkandidaten hatte es auf die jeweilige Nachfrage der Vorsitzenden bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Im Anschluss erfolgte die Wahl für den Bereich KK - Ost und S. T. + T.-B.. Vorgeschlagen für diese Wahl wurde neben dem Antragsteller auf Nachfrage der Vorsitzenden auch die Beteiligte zu 7.). Im Ergebnis erhielt die Beteiligte zu 7.) sieben Stimmen und der Antragsteller vier Stimmen. Die Beteiligten zu 4.) bis 7.) nahmen die Wahl an. Auf Top 6 des Protokolls zur Betriebsratssitzung vom 23.05.2019 wird Bezug genommen.
Alle vier freigestellten Betriebsratsmitglieder sind Vertreter der Liste 1 zur Betriebsratswahl. Der Antragsteller ist Vertreter der Liste 2 zur Betriebsratswahl. Auch die in die Ausschüsse des Betriebsrats und in den GBR entsandten Mitglieder wurden nach dem gleichen Verfahren gewählt und sind ebenfalls alle Vertreter der Liste 1 zur Betriebswahl.
Mit seiner am 04.06.2018 beim Arbeitsgericht eingegangen Antragsschrift, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, begehrte der Antragsteller zunächst die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl. Er hat die Auffassung vertreten, die Wahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder vom 23.05.2018 sei nichtig, da sie nicht nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt sei. Jedenfalls könne die Wahl entsprechend § 19 BetrVG angefochten werden, da weder in einem einheitlichen Wahlverfahren abgestimmt worden sei, noch wegen der Mehrfachkandidatur auf zumindest einer Position die vorgeschriebene Verhältniswahl analog § 5 WO nach dem d'Hondtschen Höchstzahlprinzip angewandt worden sei. Wäre dieses Verfahren durchgeführt worden, wäre das Ergebnis der Wahl anders ausgefallen, da die Mandate faktisch auf die eingereichten Wahlvorschläge zu verteilen seien. Der gestellte Antrag umfasse als Minus auch die Anfechtung der Wahl, zumal er innerhalb der kurzen Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gestellt worden sei.
Der T.-B...