Entscheidungsstichwort (Thema)

Verteilung des neben einem Sozialplan eingerichteten "Sonderfonds" nach allein vom Betriebsrat festzulegenden Kriterien. Härtefonds zur alleinigen Verfügung einer Betriebspartei. Anrechnung von Sozialplanabfindungen. Auslegung von Sozialplänen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sollen auf ein bestimmtes Sozialplanvolumen Sozialplanabfindungen angerechnet werden, gilt dies auch für Sozialplanabfindungen, die individualrechtlich von Mitarbeitern aufgrund von Auslegungsdifferenzen des Sozialplans gerichtlich erstritten wurden.

2. Es begegnet Bedenken, dem Betriebsrat einen „Härtefonds” des Sozialplanvolumens ausschliesslich zur eigenen Verteilung zu überantworten.

 

Normenkette

BetrVG §§ 112, 75 Abs. 1, §§ 87, 75

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 17.10.2006; Aktenzeichen 5 BV 123/06)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom17.10.2006 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Fonds, der im Zusammenhang mit einem Sozialplan errichtet worden und nach vom Betriebsrat festzulegenden Verteilungskriterien zu verwenden ist.

Aus Anlass der Stillegung des Betriebes I. kam zwischen dem dort gewählten Betriebsrat und der Arbeitgeberin am 18.05.2005 ein Interessenausgleich und ein Sozialplan zustande. Der Sozialplan gewährt betriebsbedingt gekündigten Mitarbeitern einen Abfindungsanspruch, der sich im Fall vorzeitiger Eigenkündigung auf einen Pauschalbetrag ermäßigt und bei Ablehnung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ganz entfällt. Die in Nr. 8 des Sozialplans aufgenommene „Salvatorische Klausel” bestimmt:

„Sollten einzelne Bestimmungen dieses Sozialplanes unwirksam sein oder werden bzw. im Widerspruch zu gesetzlichen oder tariflichen Regelungen stehen, so bleiben die übrigen Regelungen bestehen. Die unwirksamen bzw. im Widerspruch stehenden Regelungen sind durch solche Regelungen zu ersetzen, die der von den Vertragsparteien ursprünglich gewollten Regelung am nächsten kommt. Dies gilt auch für eine eventuelle Regelungslücke.”

Außerdem schlossen die Betriebsparteien am 18.05.2005 eine „Vereinbarung über die Einrichtung eines Fonds” (nachfolgend: VEF), die wie folgt lautet:

  1. „Die E. Hydraulik GmbH richtet im Rahmen des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 18.08.2005 einen Fonds ein.
  2. Dieser Fonds hat auf der Basis der Berechnungen vom 18.07.2005 ein Volumen von 5.500.000,– EUR brutto abzüglich der aus dem Sozialplan resultierenden Abfindungszahlungen. Zu diesen Abfindungszahlungen gehören nicht die Abfindungen nach Ziffer 6.1 des Sozialplanes vom 18.08.2005.
  3. Die Regelung von Verteilungskriterien erfolgt durch den Betriebsrat, wobei die finanziellen Mittel auch für die Einrichtung einer Beschäftigungsgesellschaft nach §§ 216 ff SGB III verwandt werden können.”

Das Volumen des Fonds beläuft sich auf ca. 1,2 Mio. Euro. Mit Aushang vom 11.04.2006 gab der Betriebsrat die von ihm festgelegten Verteilungsgrundsätze bekannt.

Den Mitarbeitern K. und W., die selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt hatten, war von der Arbeitgeberin der nach dem Sozialplan verringerte Abfindungsbetrag von Euro 2.500,00 bzw. von Euro 2.000,00 zugestanden worden. Der Mitarbeiter K. erhob daraufhin Klage auf die Abfindung in „voller” Höhe von Euro 27.264,08. Durch Urteil vom 02.03.2006, 5 (12) Sa 8/06, gab das LAG Düsseldorf der Klage aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 75 BetrVG) i. V. m. dem Sozialplan statt. Der Mitarbeiter W. erstritt mit derselben Begründung ein erstinstanzliches Zahlungsurteil über die Abfindung in „voller” Höhe von Euro 9.539,87 (ArbG Düsseldorf 3 (8) Ca 2346/06); Berufungsrücknahme der Arbeitgeberin, LAG Düsseldorf 5 Sa 1302/06). Dem Mitarbeiter K., dem wegen Ablehnung eines Weiterbeschäftigungsangebotes die Sozialplanabfindung verweigert wurde, wurde auf seine Zahlungsklage hin eine Abfindung in Höhe von Euro 17.602,16 zuerkannt (ArbG Düsseldorf 11 Ca 2015/06). Dem Mitarbeiter L. wurde durch Urteil des LAG Düsseldorf vom 19.01.2007 (9 Sa 1159/06) ein zusätzlicher Abfindungsbetrag (Kinderzuschlag) von Euro 1.080,00 zugesprochen.

Die Beteiligten streiten darum, ob die gerichtlich zuerkannten Abfindungsansprüche nach Nr. 2 Satz 1 VEF auf den Fonds anzurechnen sind. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass auch diese Ansprüche „aus dem Sozialplan resultieren” und der Betriebsrat nicht die Erweiterung des für den Nachteilsausgleich gesetzten Dotierungsrahmen von insgesamt Euro 5,5 Mio. verlangen könne. Der Betriebsrat widersetzt sich der Anrechnung der nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuerkannten Abfindungsansprüche auf den Fonds und meint, dass der Wortlaut der VEF entgegen stünde. Bei Abschluss der Betriebsvereinbarungen vom 18.05.2005 sei nur die tatsächliche Unsicherheit, wie viele Mitarbeiter unter den Sozialplan fielen, in Kauf genommen worden, nicht jedoch die rechtliche Unsicherheit über die Wirksamkeit des Ausschlusses bzw. der Einschränkung v...

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