Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung des Rechtsstreits an die ordentlichen Gerichte. Kartellgerichte
Leitsatz (amtlich)
1. § 87 S. 2 GWB ist auch bei der Frage, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichte eröffnet ist, zu beachten.
2. Eine Verweisung an das Kartellgericht ist gem. § 87 S. 2 GWB vorzunehmen, wenn sich eine kartellrechtliche Vorfrage im Verfahren entscheidungserheblich stellt. Dies kann schon dann der Fall sein, wenn die Darlegungs- und Beweislast ohne Auslegung kartellrechtlicher Vorschriften nicht beantwortet werden kann. Eine Beweisaufnahme kann durch das Nicht-Kartellgericht in einem solchen Fall nicht durchgeführt werden.
3. Kartellrechtliche Vorfragen können sämtliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung kartellrechtlicher Vorschriften des GWB sein. Einer zusätzlichen besonderen Schwierigkeit der Rechtsfrage bedarf es nicht. Allerdings darf die Rechtsfrage nicht schon höchstrichterlich geklärt sein.
Normenkette
GWB § 87 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 19.02.2013; Aktenzeichen 1 Ca 657/13) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 19.02.2013; Aktenzeichen 1 Ca 658/13) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 19.02.2013; Aktenzeichen 1 Ca 3569/12) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19.2..2013 (1 Ca 3569/2.) aufgehoben.
II.
Auf die Berufung der Klägerin zu 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19.2..2013 (1 Ca 657/13) aufgehoben.
III.
Auf die Berufung der Klägerin zu 3) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19.2..2013 (1 Ca 658/13) aufgehoben, soweit es die Klage über die Zahlungsanträge zu 1) und 2) hinaus abgewiesen hat.
IV.
Die Gerichte für Arbeitssachen sind unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Dortmund - Kammer für Kartellsachen - verwiesen.
V.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Teil 1.
Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche.
Die drei Klägerinnen sind Gesellschaften des U. L.-Konzerns. Die Klägerin zu 1) ist die Muttergesellschaft der Klägerin zu 3). Die Klägerin zu 2) wurde zum 14.10.2003 als 100%ige Tochter einer Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 3) gegründet. Die Klägerin zu 3) ist alleinige Anteilseignerin der Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 2) ist ein Stahlhandelsunternehmen. Sie vertreibt neue und gebrauchte Oberbaumaterialien wie T., Schwellen, X. usw. Sie stellt selbst keine solchen Materialien her. Die von der Klägerin zu 2) vertriebenen T. wurden ursprünglich bei einem weiteren Unternehmen des U. L.-Konzerns, der U. T. U. GmbH & Co. KG (im Folgenden: U.), hergestellt. Dieses Unternehmen wurde im Jahr 2001 an den W.-Konzern veräußert. Die Klägerin zu 2) beschäftigte in Deutschland etwa 285 Arbeitnehmer. Sie hatte 10 regionale Verkaufsbüros in Deutschland, wobei die Unternehmen des E. C.-Konzerns vom Verkaufsbüro in C. aus zentral betreut wurden.
Der Beklagte war seit dem 01.03.1999 Geschäftsführer der Vorgängerin der Klägerin zu 2) und nach Gründung der Klägerin zu 2) deren Geschäftsführer bis zum 17.11.2009. Anschließend war der Beklagte bis zum 30.06.2011 auf der Ebene eines Bereichsvorstands als Arbeitnehmer bei der Klägerin zu 1) tätig und berichtete dort unmittelbar an deren Vorstand. Auf den Arbeitsvertrag mit der Klägerin zu 1) (Bl. 136 ff. der Beiakte 14 Sa 886/17) wird Bezug genommen. Ferner war der Beklagte vom 01.03.1999 bis 30.06.2011 Mitglied der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes der Klägerin zu 3) und deren Rechtsvorgängerinnen. Während seiner Zeit als Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2) war Herr C. ebenfalls deren Geschäftsführer, ab 2008 auch Herr Dr. M.. Der Beklagte führte bei der Klägerin zu 2) die Bereiche Personal, Finanzen, Verwaltung, EDV/Organisation und Controlling, wobei eine interne Geschäftsverteilung nicht bestand. Allerdings existierte eine Übersicht über den Verantwortungsbereich des Beklagten, auf den Bezug genommen wird (Bl. 1408 der Beiakte 14 Sa 886/17). Hinsichtlich der einzelnen Zuständigkeiten des Beklagten bezüglich der einzelnen Firmen wird auf die Übersicht Bl. 431-446 der Beiakte 14 Sa 886/17 Bezug genommen.
Im Jahr 2001 kam es - wie bereits geschildert - zur Veräußerung der Geschäftsanteile der Firma U. an den österreichischen W.-Konzern. In diesem Zusammenhang schlossen die U. und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 3) einen Vertriebsvertrag, auf den Bezug genommen wird (Bl. 181 ff. der Beiakte 14 Sa 886/17). Dieser Vertriebsvereinbarung gingen längere Verhandlungen voraus, bei denen auch kartellrechtliche Beratungen in Anspruch genommen wurden. Aus den Entwürfen zu einem Vertriebsvertrag wurden schließlich Passagen, die als kartellrechtlich problematisch angesehen worden waren, nicht in den späteren Vertrag übernommen.
Darüber hinaus gibt es einen Vermerk des Beklagten (Bl. 190 der Beiakte 14 Sa 886/17) vom 06.11.2001, auf den Bezug genommen wird. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob und welche Bedeutung dieser Vermerk (im Folgenden: "Sideletter") hatte. Während die Klägerinnen der Auffassung sind, der Sideletter habe d...