Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Einführung von Standesregeln für Wirtschaftsredakteure?

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die individualrechtliche Einführung von Standesregeln für Wirtschaftsredakteure über die grundsätzliche Unvereinbarkeit von Aktienbesitz im Falle gleichzeitiger und regelmäßiger Berichterstattung über die betreffenden Unternehmen berührt als solche nicht bereits das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer, i.S.v. § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG.

2. Aus § 75 Abs. 1 u. 2 BetrVG kann der Betriebsrat diesbezüglich einen eigenen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber nicht herleiten. 3. Die Befragung des Redakteurs nach Besitz von Aktien an solchen Unternehmen, über die er regelmäßig berichtet, ist tendenzgeschützt.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 3, § 75 Abs. 1-2, §§ 80, 87 Abs. 1, § 94 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 15.11.2000; Aktenzeichen 10 BV 95/00)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 28.05.2002; Aktenzeichen 1 ABR 32/01)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.11.2000 – 10 BV 95/00 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche sowie Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (Antragsteller) bei der Einführung einer Regelung zur Wahrung der publizistischen Unabhängigkeit der Redakteure des Arbeitgebers (Antragsgegner), einer Verlagsgruppe zur Herausgabe u. a. von Wirtschaftszeitungen.

Im Frühjahr 2000 legte der Arbeitgeber seinen Redakteuren eine „Regelung zur Wahrung der publizistischen Unabhängigkeit in der Redaktion der H.-Zeitung-GmbH” (im Folgenden: „Regelung”) mit der Aufforderung vor, diese zwecks Anerkennung zu unterzeichnen. Dort lautet es unter Ziffer 3 b:

„Handel mit Wertpapieren

Über die gesetzlichen Insiderregelungen hinausgehend gilt für Redakteure beim Kauf oder Verkauf von Wertpapieren:

Redakteure, die von der Chefredaktion oder den jeweils zuständigen Ressortleitern mit derkontinuierlichen Berichterstattung über bestimmte Branchen beauftragt worden sind, dürfen nicht über Wertpapiere von Unternehmen dieser Branchen verfügen. Sie dürfen auch nicht Familienangehörige oder ihnen sonst verbundene Personen veranlassen, solche Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Sollten Redakteure zum Zeitpunkt der Information über diese Regeln oder bei Übernahme einer neuen Branche noch über Wertpapiere von Unternehmen verfügen, über die sie zu berichten haben, so sind sie gehalten, dies der Chefredaktion und dem zuständigen Ressortleiter zu melden und sich in angemessener Frist (innerhalb eines Jahres) von diesen Papieren zu trennen. Die Anlage in öffentlich gehandelten Fonds ist gestattet.

Wer als Redakteurgelegentlich über ein Unternehmen berichtet, muss, wenn er Aktien dieses Unternehmens besitzt, dies dem Ressortleiter mitteilen. Ressortleiter und Mitglieder der Chefredaktion müssen ihren Aktienbesitz gegenüber einem von der H.-Zeitung GmbH benannten Notar offen legen. Dieser ist gegenüber dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats/Beirats der Verlagsgruppe H. GmbH auskunftspflichtig, wenn der Verdacht besteht, ein Ressortleiter oder ein Mitglied der Chefredaktion sei auf Grund seines Aktienbesitzes nicht unabhängig.

Der Notar muss die Berechtigung des Verdachts nicht prüfen.

Die Mitglieder der Chefredaktion, die Ressortleiter und die Leitenden Angestellten der H. Zeitung GmbH teilen dem Notar schriftlich die Namen der Unternehmen mit, deren Aktien sie besitzen, bzw., dass sie keine Aktien besitzen. Erwerben sie Aktien eines noch nicht erwähnten Unternehmens, informieren sie den Notar ebenfalls schriftlich. Gleiches gilt, wenn jemand sämtliche Aktien eines früher genannten Unternehmens veräußert. Der Notar bestätigt den Mitteilungspflichtigen schriftlich den Eingang der Mitteilung. (Das Formular für die Mitteilung ist als Anlage beigefügt.)”

Unter Ziffer 7 der Regelung lautet es fernerhin:

7. Nebenberufliche Aktivitäten

Nebenberufliches Engagement, vor allem die Mitgliedschaft und Betätigung in Vereinen und karitativen Organisationen, ist zulässig und sogar erwünscht, solange es nicht wegen der Art und des Ausmaßes für die berechtigten Interessen des Verlages abträglich ist. Hiervon ist vor allem dann auszugehen, wenn der Eindruck entsteht, als sei diese vom Verlag subventioniert oder sonst unterstützt. Bis auf gelegentliche Einzelfälle, die jedoch auch nicht den Interessen des Verlages abträglich sein dürfen, müssen alle Nebentätigkeiten, insbesondere Vorträge und Moderationen von Veranstaltungen – sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich – von der Chefredaktion genehmigt werden. Die Genehmigung erfolgt nur, wenn dies den berechtigten Interessen des Verlages nicht abträglich ist, vor allem also, wenn die Unabhängigkeit des Redakteurs gegenüber dem jeweiligen Veranstalter nicht berührt ist.”

Der den Redakteuren mit Schreiben vom 24.05.2000 (Bl. 14 f.) zugeleiteten Regelung war ein Formblatt „Antrag auf Ge...

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