Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht des Beschwerdegerichtes zur Abhilfeprüfung im laufenden sofortigen Beschwerdeverfahren. Fiktionswirkung bei Geschäftsführern für Dienstverhältnis. Arbeitsverhältnis bei Geschäftsführer aufgrund klarer vertraglicher Regelungen
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist umstritten, ob bei Einlegung einer sofortigen Beschwerde unmittelbar bei dem Beschwerdegericht gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO ein Abhilfeverfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO und die Abgabe der Beschwerde an das Ausgangsgericht zu diesem Zweck zulässig und im Ermessen des Beschwerdegerichts stehend oder sogar stets geboten ist.
2. Jedenfalls im arbeitsgerichtlichen Rechtswegbeschwerdeverfahren hat die Abgabe zur Abhilfeprüfung an das Arbeitsgericht bei einer unmittelbar bei dem Beschwerdegericht eingereichten sofortigen Beschwerde mit Blick auf den besonderen Beschleunigungsgrundsatz nach § 9 Abs. 1 ArbGG zu unterbleiben (Anwendung und Fortführung der Rechtsprechung des BAG, Beschluss vom 17.09.2014 - 10 AZB 4/14).
3. Eine Abhilfeprüfung hat demgemäß in arbeitsgerichtlichen Rechtswegbeschwerdeverfahren allein bei einer bei dem Ausgangsgericht gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO eingelegten sofortigen Beschwerde stattzufinden.
4. Im Rechtswegverfahren ist für die Abgrenzung von Arbeits- und freiem Dienstverhältnis allein von dem allgemeinen nationalen (deutschen) Arbeitnehmerbegriff auszugehen. Nicht relevant für die Rechtswegbestimmung ist der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff und gleichfalls jedenfalls nicht unmittelbar relevant ist der Arbeitnehmerbegriff anderer Staaten, deren Recht die Parteien vertraglich für anwendbar erklärt haben. Die Klärung der Frage nach der Verbindlichkeit dieser Rechtswahl bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
5. Im Rechtswegverfahren kann ein vom deutschen Verständnis abweichender Arbeitnehmerbegriff eines anderen Staates allenfalls für die Auslegung der vertraglichen Regelungen der Parteien und deren Begriffsverständnis eine Rolle spielen.
Normenkette
GVG § 17a; ArbGG §§ 2, 5; ZPO §§ 567, 569 Abs. 1 S. 1, § 572 Abs. 1, 3, § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 06.05.2020; Aktenzeichen 3 Ca 605/19) |
Tenor
I.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 25.05.2020 gegen den Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 06.05.2020 - Az.: 3 Ca 605/19 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 244.719,92 € festgesetzt.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.08.2018 sowie über Vergütungs- und hilfsweise Entschädigungsansprüche und vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten.
Die Beklagte ist eine Management-Holding-Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Der Kläger ist bei ihr auf der Grundlage des schriftlichen "Open-ended Employment Contract" bzw. "Unbefristeter Arbeitsvertrag" vom 13.07.2017, wegen dessen Wortlauts und Inhalts auf die Anlage K1 zur Klageschrift (Blatt 47 ff. der Akte) Bezug genommen wird, rückwirkend seit dem 26.04.2017 als Geschäftsführer gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 36.250,- € beschäftigt. Im Rahmen seines Vertragsverhältnisses wurde er außerdem mit Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts Krefeld vom 23.05.2017 (HRB 14787) zum Geschäftsführer der B. GmbH bestellt, an der die Beklagte Anteile hält; mit Datum vom 14.09.2018 wurde seine Abberufung als Geschäftsführer ebendort eingetragen (Anlage B1, Blatt 215 ff. der Akte). Daneben wurde er für weitere Unternehmen, an denen die Beklagte Anteile hält, tätig.
Mit Schreiben vom 23.08.2018 kündigte die Beklagte den "employment contract" fristlos (Anlage K4 zur Klageschrift, Blatt 72 ff. der Akte).
Mit seiner am 13.09.2018 vor dem Arbeitsgericht Berlin erhobenen und von dort mit Beschluss vom 28.03.2019 an das Arbeitsgericht Krefeld verwiesenen Klage greift der Kläger die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung gerichtlich an und macht ansonsten im Wesentlichen noch Zahlungsansprüche in Höhe von 589.159,77 € als Entgelt, hilfsweise als Entlassungsentschädigung nach luxemburgischem Recht geltend.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet, da zwischen den Parteien schon nach dem Vertragswortlaut und -inhalt, aber auch nach der praktischen Durchführung des Vertrages ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.
Die Beklagte hat Rechtswegrüge erhoben und die Ansicht vertreten, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte könne weder über die sogenannte "sic-non"-Rechtsprechung begründet werden noch liege inhaltlich ein Arbeitsverhältnis vor. Der Kläger habe, so ihre Behauptung, keinen Weisungen unterlegen. Als Geschäftsführer der Beklagten wie auch der B. GmbH sei er nicht Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Die anderslautenden Bezeichnungen im Vertrag seien unerheblich. Bei ihnen ha...