Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung. Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft gegen Durchführung einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung. Keine vorsätzlich bezweckte Störung der tariflichen Ordnung im tarifpluralen Betrieb. Unterlassungsanspruch und Sperrwirkung nach § 87 Abs. 1 BetrVG im tarifpluralen Betrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs einer Gewerkschaft aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG gegen die Durchführung einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung ist, dass der betroffenen Tarifregelung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch ein normativer Geltungsanspruch zukommt. Das ist nicht der Fall, wenn der entsprechende Tarifvertrag gekündigt worden ist und sich im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lediglich noch in der Phase der Nachwirkung befindet.

2. Der Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft setzt zudem voraus, dass eine betriebliche Regelung die tarifliche Ordnung final oder bewusst stören soll. Sehen sich Betriebsparteien in einem tarifpluralen Betrieb mit mehreren normativ anwendbaren und inhaltlich kollidierenden Tarifverträgen konfrontiert, von denen der eine im mitbestimmten Bereich der Arbeitszeitregelungen umfangreiche Öffnungsklauseln und der andere wiederum detaillierte eigene Regelungen ohne Öffnungsklauseln vorsieht, bewirkt eine Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeitregelungen, die ein Wahlmodell vorsieht, das für Mitglieder der Gewerkschaft, die den zweitgenannten Tarifvertrag abgeschlossen hat, ausschließlich deren tarifliches Arbeitszeitmodell zulässt, während allen anderen Arbeitnehmern zwei weitere Alternativmodelle zur Wahl offeriert werden, keine finale oder bewusste Störung einer Tarifordnung. Zielrichtung einer solchen Betriebsvereinbarung ist nicht die Verdrängung eines bestimmten Tarifwerkes, sondern seine Bestätigung bei zugleich ausgeübter Mitbestimmung im Geltungsbereich des kollidierenden anderen Tarifvertrages.

3. Zum Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft aus § 23 Abs. 3 BetrVG bei schwieriger, ungeklärter Rechtslage zur Sperrwirkung eines Tarifvertrages nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG im tarifpluralen Betrieb, wenn der Tarifvertrag der konkurrierenden Gewerkschaft umfangreiche Öffnungsklauseln enthält.

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung verlangt die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Begründung muss sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Beschlusses befassen. Allgemeine, formelhafte Wendungen genügen hierfür nicht. Auch darf sich der Beschwerdeführer nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; BetrVG § 23 Abs. 3, § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1; BGB §§ 1004, 823; ArbGG § 87 Abs. 2 S. 1, § 89 Abs. 2 S. 2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2; TVG § 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 5, § 4a; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.05.2020; Aktenzeichen 10 BV 268/19)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.05.2020 - Az.: 10 BV 268/19 - wird hinsichtlich der Hauptanträge zurückgewiesen und hinsichtlich der Hilfsanträge als unzulässig verworfen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Antragstellerin und Beteiligten zu 1 auf Unterlassung der Durchführung bestimmter Regelungen der Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeitregelungen für Triebfahrzeugführer (Tf) und Kundenbetreuer im Nahverkehr (KiN) vom 02.10.2019.

Die Antragstellerin (im Folgenden auch: GDL) ist ebenso wie die Beteiligte zu 7 (im Folgenden auch: EVG) eine in den Betrieben des Unternehmens der Beteiligten zu 2 vertretene Gewerkschaft. Bei den Beteiligten zu 5, 6 und 8 handelt es sich um die Betriebsräte der im Unternehmen der Beteiligten zu 2 nach Maßgabe des auf der Grundlage von § 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrages zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen bei der DB Regio AG, den weiteren Unternehmen des Schienenpersonennahverkehrs und den Regio-Busgesellschaften vom 29.08.2017 (BetrVTV DB Regio Schiene/Bus, Blatt 429 ff. der Akte) gebildeten betriebsratsfähigen Einheiten der Wahlbetriebe Rhein-Ruhr (R.9.3), Westfalen (R.9.4) und NRW (R.9.1).

Die Beteiligte zu 2 ist Mitglied des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbands der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (im Folgenden: AGV MOVE). Am 04.01.2019 schloss der AGV MOVE mit der GDL den Bundes-Rahmentarifvertrag für das Zugpersonal der Schienenbahnen des Personen- und Güterverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: BuRa-ZugTV), wegen dessen Inhalts im Übrigen auf Blatt 26 ff. der Akte Bezug genommen wird und der auszugsweise folgende Regelungen enthält:

"§ 1

Geltungsbereich

Der BuRa-ZugTV AGV MOVE wird als Verbandstarifvertrag ("Flächentarifvertrag") abgeschlossen, gilt also ...

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