Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Einsetzung. Betriebliches Eingliederungsmanagement

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 87 Abs. 1 Nrn. 1 und 7 BetrVG ist ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung der betrieblichen Eingliederungsmaßnahmen nicht offensichtlich ausgeschlossen. § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet zwar den Arbeitgeber nicht zu einem generellen präventiven Gesundheitsschutz, sondern nur bezogen auf konkrete Arbeitnehmer. Ziel des Eingliederungsmanagements ist es aber, durch rechtzeitige Initiative Indikatoren zu erkennen, die für langandauernde Arbeitsunfähigkeitszeiten verantwortlich sind und die wiederum häufig ein Indiz sind für Krankheitsverläufe, die schließlich zu bleibenden Gesundheitsschäden und vor allem zu chronisch degenerativen Erkrankungen und Behinderungen führen. Wenn der Arbeitgeber zur Erhebung der betroffenen Arbeitnehmer und zur Durchführung der Eingehungsgespräche ein formalisiertes Verfahren einführt, könnten insoweit Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG tangiert sein.

 

Normenkette

ArbGG § 98

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Beschluss vom 27.07.2009; Aktenzeichen 6 BV 80/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 27.07.2009 – 6 BV 80/09 – wird zurückgewiesen.

2. Der Hilfsantrag wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung und Besetzung einer Einigungsstelle über die Einführung und Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).

Der Antragsteller (im Folgenden: Betriebsrat) hatte die Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) seit April 2009 mehrfach zu einer Stellungnahme über die Person eines Vorsitzenden der Einigungsstelle aufgefordert und nach deren Ausbleiben die Verhandlungen für gescheitert erklärt.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass ihm im Zusammenhang mit der Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 BetrVG zustehe. In jedem Fall sei keine offensichtliche Unzuständigkeit im Sinne des § 98 ArbGG gegeben. Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle sei Herr Dr. C. zu bestellen, da er umfassende Erfahrungen mit Regelungen zum BEM habe. Die Anzahl von zwei Beisitzern je Seite sei angemessen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die über die Einführung und Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM-§ 84 Abs. 2 SGB IX) entscheiden soll, wird der Vorsitzende Richter und Präsident des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. K. C., bestellt.
  2. die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen,

sowie hilfsweise,

den Vorsitzenden Richter am Arbeitsgericht Hamm, I. L. H., zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle für eine Betriebsvereinbarung „betriebliches Eingliederungsmanagement” zu bestellen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Hilfsantrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass die Einigungsstelle bereits offensichtlich unzuständig sei. Die Vorschrift des § 84 SGB IX habe lediglich appellativen Charakter. Daraus ergebe sich keine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Regelung zum BEM zu treffen. Wenn es zur Einrichtung einer Einigungsstelle komme, sei Herr L. H. zum Vorsitzenden einzusetzen, da es sich im Schwerpunkt um eine arbeitsrechtliche Fragestellung handele und durch die Beauftragung eines Richters aus der Sozialgerichtsbarkeit höhere Kosten entstünden.

Mit Beschluss vom 27.07.2009 hat das Arbeitsgericht Essen die Einigungsstelle eingerichtet und zum Vorsitzenden der Einigungsstelle I. Dr. C. bestellt. Die Zahl der Beisitzer wurde auf zwei für jede Seite festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag des Betriebsrats nur bei offensichtlicher Unzuständigkeit der Einigungsstelle zurückgewiesen werden könne. Eine offensichtliche Unzuständigkeit sei nicht gegeben, wenn ein Arbeitsgericht, wie hier das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel, die Einigungsstelle als zuständig angesehen habe. Im Übrigen sei ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG bei Fragen des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb gegeben. Dazu gehörten auch Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Zum Vorsitzenden der Einigungsstelle sei der Präsident des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. K. C., einzusetzen, da Zweifel an seiner Eignung nicht bestünden. Bei ihm sei es auch ausgeschlossen, dass er mit einer möglichen Überprüfung, Auslegung oder der Anwendung des Spruchs der Einigungsstelle befasst werde. Dass durch die Einsetzung von I. Dr. C. höhere Kosten entstehen, sei nicht dargetan. Da keine ausreichenden Bedenken gegen I. Dr. C. vorgetragen seien, sei der Hilfsantrag zurückzuweisen. Die Zahl von zwei Be...

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