Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit. Offensichtlichkeit. Unzuständigkeit. Einigungsstelle. betriebliches Eingliederungsmanagement. BEM. Konzernbetriebsrat
Leitsatz (redaktionell)
Für einen Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement” ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.
Normenkette
ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 7, § 58 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Beschluss vom 15.05.2009; Aktenzeichen 4 BV 94/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.05.2009 – 4 BV 94/09 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Im Betrieb der Arbeitgeberin in U1 wird eine Einigungsstelle zu dem Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX” gebildet.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement”.
Der antragstellende 15-köpfige Betriebsrat ist zuständig für die Niederlassung U1 des Unternehmens der Beteiligten zu 1), das der „Unternehmensgruppe D1” angehört, für die ein Konzernbetriebsrat errichtet wurde.
Der Betriebsrat legte der Arbeitgeberin bereits vor längerer Zeit den Entwurf einer Betriebsvereinbarung zum Thema „Betriebliche Prävention und Eingliederungsmanagement” vor. Nachdem es in der Folgezeit zu keiner Einigung kam und auch die einvernehmliche Bildung einer Einigungsstelle scheiterte, leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren ein.
Er hat die Auffassung vertreten, es beständen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG, weil es bei der Umsetzung einer Vielzahl von Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ausfüllungsbedürftige Gestaltungsspielräume gebe. In jedem Falle könne angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur von keiner offensichtlichen Unzuständigkeit die Rede sein.
Der Betriebsrat hat beantragt,
eine Einigungsstelle zur Regelung „Betriebliche Prävention und betriebliches Eingliederungsmanagement” gemäß § 87 Nr. 7 BetrVG und § 84 Abs. 2 SGB IX im Betrieb der Beteiligten zu 1) in U1 einzusetzen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, wegen des Fehlens eines Mitbestimmungsrechtes sei eine Einigungsstelle ganz offensichtlich nicht berufen, um über die begehrte Regelungsmaterie eine Lösung herbeizuführen.
Mit Beschluss vom 15.05.2009 hat das Arbeitsgericht die Einigungsstelle eingesetzt und zur Begründung ausgeführt, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates scheide nicht von vornherein aus, wenn man daran denke, dass § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG sich auf die betriebliche Umsetzung von Vorschriften des Gesundheits- und Arbeitsschutzes beziehen würden.
Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde.
Sie meint, es liege ein Fall offensichtlicher Unzuständigkeit vor. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht einschlägig, weil die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements wegen der notwendigen Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Beschäftigten einen rein individuellen und keinen kollektiven Bezug habe. – Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG könne nur bestehen, wenn beabsichtigt sei, das betriebliche Eingliederungsmanagement in formalisierter Art und Weise durchzuführen; ein solches „starres” Präventionsverfahren sei aber gerade nicht gewollt.
Davon abgesehen komme eine Regelung wegen der erstrebten Einheitlichkeit nur auf der Ebene der „Unternehmensgruppe D1” in Betracht, so dass der Konzernbetriebsrat zuständig sei.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.05.2009 – 4 BV 94/09 – abzuändern und den Antrag abzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Anschluss an den erstinstanzlichen Vortrag hält er Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG für gegeben. Eine zwingende Regelungsnotwendigkeit auf Konzernebene – und damit die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates – sei nicht gegeben, weil Bestimmungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement selbstverständlich in den einzelnen Betrieben unterschiedlich ausfallen könnten.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Denn entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin war eine Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX” einzurichten, weil keine offensichtliche Unzuständigkeit im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gegeben ist.
Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle allgemein immer nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt, sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar also nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt (vgl. z.B. LAG Hamm, 07.07...