Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs. Abmahnung im Einzelfall erforderlich. Darlegungslast auf Seiten des Arbeitgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung bedarf es nicht, wenn eine Verhaltensänderung selbst nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine Pflichtverletzung handelt, bei der eine Hinnahme durch die Arbeitgeberin offensichtlich ausgeschlossen ist.

2. Auch wenn eine Arbeitsversäumnis von 1,5 Stunden eine gravierende Pflichtverletzung darstellt, ist selbst bei vorsätzlicher Begehung der Umstand zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer nicht heimlich handelte oder aber mit erheblicher krimineller Energie zu Werke ging sondern offen ersichtlich für die Gruppe nach Hause gegangen ist und in diesem Fall auch keine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt hat, weil er sich nicht einmal viel Mühe zur Verschleierung seiner Tat gemacht hat; das gilt insbesondere dann, wenn keine Arbeitszeiterfassung zu Beginn und Ende der Schicht stattfindet und die Arbeitgeberin selbst sich für Ihre Beschäftigten im Außendienst eines Systems der Kontrolle durch die Gruppe bedient.

3. Eine Pflichtverletzung erreicht erst im Falle einer Wiederholung nach erfolgloser Abmahnung das Maß einer Beharrlichkeit.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.12.2012; Aktenzeichen 1 Ca 3677/12)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.12.2012 - 1 Ca 3677/12 - teilweise abgeändert und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.06.2012 nicht aufgelöst worden ist.

  • 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  • 3.

    Die Revision wird - nicht - zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch über die Frage der Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 13.06.2012.

Die Beklagte, die ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt den Bahnverkehr in Nordrhein-Westfalen. Sie unterhält auch den Fahrkartenprüfdienst. Es besteht ein Betriebsrat.

Der am 09.06.1982 geborene ledige und niemandem gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.05.2011 als Prüfer (Fahrscheinkontrolleur) tätig. Sein monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 2.099,00 €. Die Einzelheiten der Beschäftigung regelt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 15.04.2011, Bl. 42/43 GA.

Der Kläger arbeitet in einem Dreier-Team. Diese Mitarbeiter führen Prüfungen in Zügen gemeinsam durch, wobei nicht alle drei Prüfer stets im gleichen Wagen prüfen, sondern sich auch im Zug verteilen.

Am Sonntag, 06.05.2012, hatte der Kläger mit seinen Kollegen M. und T. Prüfdienst in der Schicht 8230. Die drei Prüfer hatten um 06.15 Uhr den Dienst aufgenommen. Dienstplanmäßiges Ende der Arbeitszeit war um 14.39 Uhr. Von 12.00 - 12.45 Uhr hat die Gruppe ordnungsgemäß Pause gemacht. Streitig ist zwischen den Parteien, ob der Kläger nach der Pause gegen 13.00 Uhr seinen Dienst vorzeitig beendete. Er trug in seinen Arbeitsbericht vom 06.05.2012 als Arbeitszeitende 14.39 Uhr ein, Bl. 54/55 GA.

Mit Schreiben vom 04.06.2012 (Bl. 49 - 53 GA) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers an. Im Schreiben verwies sie auf einen Arbeitszeitbetrug des Klägers am 06.05.2012. Der Kläger habe nach der Pause seinen Arbeitsplatz verlassen. Sodann kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.06.2012 außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 31.07.2012, Bl. 5 GA.

Mit seiner am 18.06.2012 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe seine Schicht bis 14.39 Uhr ordnungsgemäß absolviert und sei bei einer Personalienfeststellung - wie in seinem Arbeitsbericht vermerkt - um 14:30 Uhr zugegen gewesen. Insoweit habe die Fahrt in Köln um 14.06 Uhr geendet, sodann sei die Personenkontrolle durchgeführt worden bis 14.30 Uhr. Die fristlose Kündigung scheitere schon deshalb, weil die Beklagte die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist nicht eingehalten habe. Auch sei zu beachten, dass die Beklagte bereits mehrfach versucht habe, ihn loszuwerden und ungerechtfertigte Vorwürfe erhoben habe. Auch seien die Aussagen von Frau M. nicht glaubhaft. Sie belaste ihn ungerechtfertigt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass die Kündigungen der Beklagten vom 13.06.2012 rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Kündigung sei wirksam. Der Arbeitsbericht des Klägers habe ihr am 14.05.2012 vorgelegen. Ab dem 28.05.2012 sei er bearbeitet worden und hierbei sei aufgefallen, dass er ab 13.00 Uhr keine Fahrgäste kontrolliert habe. Am 01...

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